Maxvorstadt:Wie die Verdrängung von Mietern verhindert werden soll

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  • Der Bezirksausschuss in der Maxvorstadt fordert eine Erhaltungssatzung für den Umgriff Türken-, Amalien-, Schelling-, Adalbert- und Kurfürstenstraße.
  • So soll verhindert werden, dass die angestammte Wohnbevölkerung aus dem Viertel verdrängt wird.
  • Für Straßenzüge im Museumsquartier gelten bereits Erhaltungssatzungen.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

In diesen Tagen wäre dieses Treffen wegen der Corona-Krise wohl abgesagt worden; doch noch vor Kurzem sah gut ein Dutzend Maxvorstädter noch keinen Grund, weshalb sie ihre Erfahrungen nicht eng gedrängt im Bürgerbüro an der Schellingstraße austauschen sollten. Die Stimmung ist angespannt, denn es soll bei diesem offenen Mietertreffen um die Erfahrungen mit Hauseigentümern gehen, "um Investorenhaie und deren Profitstreben", wie ein Besucher sagt. Die Anwesenden, wohnhaft vor allem in Türken- und Schellingstraße, berichten vom undurchsichtigen Agieren ihrer Vermieter, von ihrer Angst, womöglich bald die Kündigung zu erhalten, "entmietet zu werden". Und die Sprache kommt auf Stadtpolitik und Verwaltung. "Warum lässt die Stadt das zu, sie ist verantwortlich, sie muss die Milieus schützen", sagt ein älterer Mann.

Dieser Überzeugung ist auch die lokale Politik in der Maxvorstadt, die im Bezirksausschuss häufig in der gleichen Tonlage über die grassierende Luxussanierung spricht. Was den Milieu-Schutz anbelangt, haben die Lokalpolitiker nun einen dringenden Appell an die Stadt überstellt, der ganz im Sinne des Mieter-Treffens sein dürfte: Das Gremium fordert auf Initiativen von SPD und Grünen eine Erhaltungssatzung für den Umgriff Türken-, Amalien-, Schelling-, Adalbert- und Kurfürstenstraße. "Einzelne Häuser und Wohnblocks in der zentrumsnahen Maxvorstadt werden immer häufiger von Investoren aufgekauft und luxussaniert", schreiben die Grünen in ihrem Antrag. Die angestammte Wohnbevölkerung werde verdrängt, auch durch das Entstehen "hochwertiger Arbeitsplätze" in der Maxvorstadt, weshalb auch "Gut- und Topverdiener" dort Wohnungen suchten, heißt es.

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Das wohnungspolitische Instrument der Erhaltungssatzung gibt es in München seit 1987; damit soll die angestammte Bevölkerung vor Luxussanierungen und Vertreibung geschützt werden. Inzwischen sind es stadtweit 26 solcher Satzungen, die insgesamt 165 000 Wohnungen unter Schutz stellen. Mietshaus-Käufer verpflichten sich dabei, in diesen Gebieten mit einer sogenannten Abwendungserklärung für eine gewisse Zeit keine Luxussanierungen durchzuführen, einen Mietendeckel bei Neuvermietungen einzuhalten. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen müssen genehmigt werden. Die Stadt kann ein Vorkaufsrecht ausüben.

In der Maxvorstadt gibt es seit drei Jahren eine Satzung für Häuserzeilen am Ostende der Gabelsbergerstraße, zwischen Brienner Straße und Heßstraße, sowie für ein Segment zwischen Barer, Görres-, Winzerer- und Georgenstraße. Dabei sind jedoch gerade die Straßenzüge um die Universität Schauplatz von Nachverdichtungs- und Aufwertungsprojekten, also jenes Gebiet, das der Bezirksausschuss unter Schutz gestellt sehen möchte.

Voraussetzung für jede Erhaltungssatzung ist eine Untersuchung des Planungsreferats zum Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial, welche alle fünf Jahre neu angestellt wird. Die Indikatoren dafür hatte der Stadtrat zuletzt verschärft. Nicht nur auf Altbauten aus der Gründerzeit soll besonderes Augenmerk gelegt werden, sondern auch auf den Bestand aus den Fünfziger- bis Achtzigerjahren - wobei nicht nur Bewohner mit niedrigen, auch solche mit mittleren Einkommen als gefährdetes Milieu angesehen werden. "Diese neuen Faktoren sind nun in dem benannten Quartier mehr als zahlreich vorzufinden", konstatiert die Maxvorstädter SPD. Gleichzeitig sei eine massive Zunahme von Abbrüchen und Genehmigungen zum Neubau zu beobachten, heißt es in dem Antrag, genannt werden etwa die Objekte Türkenstraße 25/27 sowie Türkenstraße 52/54.

Ein Bewohner aus dem ehemaligen Komplex Türkenstraße 52/54, Norbert Ott, war es übrigens, der zu dem Mietertreffen im Bürgerbüro eingeladen hatte. An dem Anwesen klafft derzeit eine riesige Baulücke, bis auf das Vorderhaus auf Nummer 54 ist alles abgerissen. Die Baugenehmigung ist laut Ott längst erteilt, inzwischen habe das Objekt erneut, angeblich für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, den Besitzer gewechselt.

Auch Bernhard Kitzinger ist bei dem Treffen dabei, Inhaber eines Antiquariats an der Schellingstraße 25, das mit der Hausnummer 27 Teil eines Hauskomplexes ist, in dem der Eigentümer im Frühjahr 2018 zur Überraschung aller Bewohner und auch der Denkmalbehörde die historischen Treppen herausreißen ließ. Wie der Eigentümer bestätigt, liegt ein positiver Vorbescheid für Abriss und Neubau vor, die konkreten Planungen seien aber noch nicht abgeschlossen. "Die Stadt hat gesagt, dass sie das erlauben muss. Aber es dürfte nicht genehmigt werden", sagt Kitzinger.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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