Günstiger Wohnraum in der MaxvorstadtBewohner befürchten Ende des Jugendwohnheims

Lesezeit: 4 Min.

Das Jugendwohnheim an der Zieblandstraße soll verkauft werden.
Das Jugendwohnheim an der Zieblandstraße soll verkauft werden. (Foto: Catherina Hess)

Die Caritas möchte das Gebäude eines Wohnheims für Auszubildende und Studierende verkaufen, um es dann zu mieten – zur Sicherung des Angebots, wie es heißt. Doch kann das auf lange Sicht funktionieren? Daran werden Zweifel laut.

Von Ekaterina Kel

Der heilige Franziskus hat seinen Frieden gefunden. Er füttert in aller Seelenruhe kleine Vögel, einer sitzt auf seiner Hand. Diese Szene ziert die Fassade eines sanierungsbedürftigen Baus aus den Fünfzigerjahren, mitten im beliebten Viertel Maxvorstadt, dort, wo sich die Zieblandstraße und die Augustenstraße kreuzen. Wie lange Franziskus da wohl noch seine Vögel füttern wird?

Und wie lange es die günstigen Apartments in dem fünfstöckigen Haus noch geben wird? Das fragen sich einige der jungen Menschen, die in dem Jugendwohnheim dort leben. Seit sie wissen, dass das Gebäude verkauft werden soll, fürchten sie um die Zukunft des Wohnheims.

Das Haus bietet aktuell 127 Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die eine Ausbildung machen oder studieren, möblierte Einzelzimmer mit Gemeinschaftsküchen und -bädern. Außerdem arbeiten dort sozialpädagogische Fachkräfte. Träger und Eigentümer des Grundstücks ist bereits seit Jahrzehnten der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising.

Die Caritas will das Grundstück an der Zieblandstraße 35 jedoch verkaufen – und es dann von den neuen Besitzern zurück mieten. Sale-and-Lease-Back nennt sich das Verfahren. Dadurch wird einerseits Kapital frei, andererseits kann die Caritas dann anstehende Sanierungsarbeiten an dem Gebäude an den neuen Besitzer abtreten.

Im April erreichte diese Nachricht die jungen Bewohnerinnen und Bewohner. In einem internen Informationsbrief von der Heimleitung, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ist für das Verfahren von einem „Konditionszeitraum von mindestens drei Jahren“ die Rede. Das würde bedeuten, dass die Caritas den Mietzeitraum wohl erst einmal befristen würde. Was danach mit dem Gebäude und vor allem mit dem Jugendwohnheim darin passiert, stünde in den Sternen. Die Befürchtung der Bewohner: Der neue Besitzer könnte das Gebäude abreißen und stattdessen Luxuswohnungen bauen. Schließlich sei das Grundstück „ein Filetstück“ im Viertel, wie man aus der Nachbarschaft hört.

Droht dem Wohnheim also das Aus? Einige junge Menschen aus dem Heim äußern diese Befürchtung. Sie haben sich vernetzt, um etwas gegen den möglichen Verlust des günstigen Wohnraums im Viertel zu unternehmen. Ihre Namen behalten sie allerdings für sich, weil sie nicht riskieren wollen, ihre Zimmer zu verlieren.

Sie wollten Aufmerksamkeit im Viertel schaffen. Im April hängten sie weiße Bettlaken aus den Fenstern. „Rettet das Wohnheim“ stand auf einem direkt über dem Eingang. Kurze Zeit später waren die Laken jedoch wieder verschwunden. Die Sorgen vor dem Verlust des Wohnheims aber blieben. Die Bewohner starteten daraufhin eine Petition und forderten darin „eine langfristige und verbindliche Sicherung“ des Heims.

„Bei uns läuten die Alarmglocken“, sagt einer der Bewohner. Auch, weil sie so spät von der Caritas informiert worden seien. Selbst wenn die meisten von ihnen in drei Jahren vermutlich gar nicht mehr da seien, liege ihnen der Erhalt des Jugendwohnheims am Herzen, sagt eine andere Bewohnerin. „Wir könnten es uns nicht leisten, in München zu sein und zu lernen, wenn wir nicht hier wohnen würden. Wir wollen, dass diese Chance, die uns gegeben wurde, auch für die kommenden Generationen bestehen bleibt.“ Sie wollen für die Zukunft von jungen Erwachsenen kämpfen, sagen sie.

Lokalpolitiker fordern einen runden Tisch zur Rettung des Wohnheims

Die aktuelle Wohnheimleitung will sich zu der Situation nicht äußern. Der ehemalige Leiter Johannes Sonner, der als Rentner noch im Haus wohnt, erzählt jedoch am Telefon, dass das Haus schon länger sanierungsbedürftig sei. Der Caritas gehe es finanziell nicht gut, sagt er, es gebe keine ausreichenden Rücklagen. Eine größere Sanierung könne der Wohlfahrtsverband deshalb nicht stemmen. Sonner unterstützt die Initiative der jungen Menschen im Heim, die sich für den Erhalt engagieren.

Mittlerweile hat sich die Lokalpolitik im Viertel eingeschaltet. Anfang Mai waren sich alle Fraktionen des Bezirksausschusses Maxvorstadt, außer der AfD, einig, dass sie für den Erhalt des Wohnheims eintreten wollen. In einem gemeinsamen Antrag an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordern sie einen runden Tisch zur Rettung des Caritas-Jugendwohnheims. Ihnen schwebt vor, dass Vertreter der Caritas sich mit Stadtverwaltung und -politik zusammensetzen, um eine Lösung zu diskutieren.

„Dieses Wohnheim ist ein ganz wichtiger, zentraler Punkt des Zusammenhalts im Viertel“, sagt Richard Weiss. Er sitzt für die Grünen im Bezirksausschuss und führt ein Café ganz in der Nähe des Wohnheims. Er kritisiert die Caritas für die Entscheidung, das Grundstück zu verkaufen. Weiss berichtet von vielen Menschen aus dem Viertel, die bei ihm im Café nach der Petition für den Erhalt des Heims fragten und besorgt seien über den Ausgang.

Eine Pressesprecherin des Caritasverbands bestätigte die Befristung auf mindestens drei Jahre auf Anfrage nicht, dementierte sie jedoch auch nicht. Vielmehr schickte sie ein Statement des Geschäftsleiters der Caritas München Stadt und Landkreis, Harald Bachmeier: „Mit dem Verkauf im Sale-and-Lease-back-Verfahren begegnen wir der Herausforderung einer sanierungsbedürftigen Immobilie und stellen sicher, dass wir weiterhin und möglichst dauerhaft in unsere caritative Arbeit für Menschen investieren können.“ Man würde also gerade mit dem Vorgehen die Fortsetzung des Angebots sichern, so der Geschäftsführer. Man sei sich der sozialen Verantwortung bewusst und im intensiven Austausch mit allen betroffenen Parteien, sicherte die Pressesprecherin außerdem zu.

Aber Garantien, dass das Heim dauerhaft bleibt, gibt es nicht. „Wir sehen die Caritas in der Pflicht, das Jugendwohnheim dauerhaft für die Zukunft zu sichern“, sagt Simone Burger, die planungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Rathaus. Sie unterstütze auch die Idee eines runden Tisches. Die Verwaltung befasse sich bereits mit dem Fall des Wohnheims. Ob die Stadt selbst denn die Immobilie auch übernehmen könnte? „Wir sind noch nicht an diesem Punkt“, sagt Burger, verweist allerdings auch auf die angespannte Haushaltslage.

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