Dokufiktion über Transmenschen:Weder entweder noch oder

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Drei Darstellende, viele Ideen: Pathavee Thepkraiwan, Mareike Beykirch und Sarut Komalittipong (v. li.) in "I don't care". (Foto: Adrienne Meister)

Unangenehme Toilettenbesuche und der Kampf um den richtigen Namen im Pass: Die thailändisch-deutsche Koproduktion "I don't care" im Marstall befasst sich mit dem Alltag von Transmenschen - aber verbaut so viele Ideen, dass ein Nachfühlen schwerfällt.

Von Yvonne Poppek, München

Die Einteilung ist komplett willkürlich, rot oder grün. Wer einen roten Klebepunkt bekommt, der gehört nach links, der andere nach rechts. So ist das im Leben, groß mitzureden hat man bei manchen Dingen einfach nicht, in diesem Fall bei der Platzwahl im Marstall. Die thailändisch-deutsche Koproduktion "I don't care" wird dort gezeigt. Die Bühne befindet sich in der Mitte, links und rechts sitzen die Zuschauer. Gegenseitig sehen kann man sich nicht, Stellwände versperren die Sicht. Immerhin: Man sitzt in einem Farbblock.

Diese Anordnung wirkt erst einmal unpraktisch, Teile des Bühnengeschehens bleiben einem verborgen. Aber das Thema ist nun einmal die permanente binäre Unterteilung, links oder rechts, 0 oder 1, Frau oder Mann. Insofern ist die Bühne von Anna-Elisabeth Frick und Jarunun Phantachat, die beide auch Regie geführt haben, ein Statement. Der Journalist und Autor Jürgen Berger hat den Text zu dem Abend geliefert, der noch dreimal im Marstall zu sehen ist. Seine Dokufiktion auf Deutsch, Englisch und Thailändisch basiert auf Gesprächen, die er in Thailand und Deutschland mit Transmenschen geführt hat, die eben genau mit einer einfachen Zuordnung, einer scharfen Grenzziehung zu kämpfen haben. Dieses Konzept zu problematisieren, darum soll es gehen.

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Deswegen ist es nur konsequent, dass die Bühne im Verlauf der 80 Minuten an Durchlässigkeit gewinnt. Auf ihr agieren Mareike Beykirch, Sarut Komalittipong und Pathavee Thepkraiwan. Sie sind mal mystische Erzählerin, mal Transmann oder Transfrau, mal Showmaster und Kandidatinnen. Um die Informationen - von der Schwierigkeit, einen anderen Namen im Pass zu erhalten, über Operationen bis hin zu Toilettenbesuchen - in Szenisches umzusetzen, wurden viele Ideen verfolgt. Die drei wunderbaren Performer kneten die undramatische Vorlage ordentlich durch, spielen mit großem Gestus aus, was sie finden, dazu kommen Video- und Texteinblendungen.

Dieses wilde Hin-und-Her hält die Spannung der Dokufiktion hoch, ein Hineinfühlen in die Problematik macht es dafür schwer. Dazu wird jeder Konflikt zu schnell ins Komisch-Absurde gekippt. Gleichwohl: Einen ähnlich vertiefenden und spielerischen Abend zu Transmenschen gibt es gerade nirgendwo, erst recht nicht mit dem vergleichenden Blick auf zwei Länder.

I don't care , Dokufiktion von Jürgen Berger, Marstall, Dienstag bis Donnerstag, 18. bis 20. Oktober, 20 Uhr

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