Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Einrichtung eines neuen Ankerzentrums für München angekündigt. Die Landeshauptstadt nehme einen unterdurchschnittlichen Anteil an Flüchtlingen auf, sagte Söder am Mittwoch nach der Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz. Man sei deshalb mit der Stadt im Gespräch, um ein weiteres Ankerzentrum zu errichten.
Das Innenministerium spricht auf Nachfrage von einem zusätzlichen Anker-Standort mit 1000 Plätzen in München. Söder hatte bereits im Sommer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angemerkt, München habe „im Vergleich zu seiner Größe ohnehin eine zu geringe Aufnahmequote“. Monatlich würden München derzeit 300 Geflüchtete zugeteilt, sagte ein Sprecher des Sozialreferats, die Unterkunftslage in der Stadt bleibe angespannt. Man errichte ständig neue Unterkünfte, dafür seien jedoch entsprechende Vorlaufzeiten notwendig.
Aktuell erfülle München die Quote bei der Aufnahme von Geflüchteten zu 92,4 Prozent, teilte ein Sprecher der Regierung von Oberbayern mit. Die Landeshauptstadt habe im Hinblick auf die Quote in den vergangenen Monaten bereits „deutlich aufgeholt“ und werde nach derzeitigem Stand der Planungen auch weiter aufholen. Im kommenden Jahr solle die Anker-Einrichtung im ehemaligen Sheraton-Hotel in deutlich ausgebauter Form in Betrieb genommen werden, mit rund 900 Betten. Und somit einer deutlich größeren Kapazität als das bisherige in der Maria-Probst-Straße.
Die Ankerzentren sind als Erstaufnahmeeinrichtungen für neu ankommende Geflüchtete gedacht. Sie wurden 2018 eingerichtet, um Asylverfahren und Abschiebungen zu beschleunigen. Das Akronym „Anker“ steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung.
Ein großes Ankerzentrum in Manching bei Ingolstadt bildet dabei das Zentrum in Oberbayern, rundherum werden zehn Dependancen betrieben, mit Kapazitäten jeweils zwischen rund 200 und 750 Bettplätzen. Die dezentrale Organisation des Ankerzentrums ergebe sich aus der großen Zahl der Geflüchteten-Ankünfte, sagte ein Sprecher der Regierung. Etwa ein Drittel aller Ankommenden in Bayern werde hier registriert und in der ersten Zeit untergebracht. Weitere Anker-Standorte in Oberbayern sind Garmisch-Partenkirchen, Fürstenfeldbruck, Ingolstadt und Waldkraiburg.
„Anker“ steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung
Auch in München gibt es bereits fünf Anker-Einrichtungen, etwa in der ehemaligen Funkkaserne am Frankfurter Ring, Am Moosfeld in Trudering oder in einem früheren Hotel im Münchner Osten in der Musenbergstraße. „Wir eröffnen und schließen immer wieder Standorte, wenn zum Beispiel ein Mietvertrag endet und der Eigentümer eine andere Verwendung für ein Gebäude hat.“ Dass Manching geschlossen oder parallel dazu ähnliche Strukturen noch einmal aufgebaut würden, dazu sei nichts bekannt.
Zusätzlich zu den angekündigten 1000 Plätzen des Innenministeriums plant die Regierung einen deutlichen Ausbau ihres größten Ankunftszentrums in München, des früheren Hotels Sheraton Westpark. Dort bringt sie seit dem Frühjahr 2022 bis zu 550 Geflüchtete unter. Nun soll die Unterkunft auf eine Kapazität von bis zu 900 Betten ausgebaut und auch als Verwaltungssitz mit Büros ausgebaut werden. Das soll auch als Ersatz für das jetzige Ankunftszentrum München in der Maria-Probst-Straße dienen. Im Frühjahr oder Sommer 2025 sollen die Umbauten laut der Regierung von Oberbayern abgeschlossen sein und das Ankunftszentrum den Betrieb aufnehmen. Schon jetzt wurde das Sheraton von manchen als Ankerzentrum bezeichnet. „Die Begrifflichkeiten verschwimmen da manchmal etwas“, sagte der Sprecher der Regierung von Oberbayern.
Laut dem bayerischen Flüchtlingsrat sind die Ankerzentren nicht für lange Aufenthalte ausgelegt. So sollten Familien eigentlich nicht länger als sechs Monate dort bleiben, sagte Sprecher Stephan Dünnwald. In der Realität aber werde diese Regel oft überschritten, weil die Asylverfahren sich lange hinzögen. Diese Unterbringungsform ist für nicht anerkannte Flüchtlinge gedacht, die ihren Asylantrag gestellt haben und nun auf Antwort warteten oder gegen eine Ablehnung klagten. Laut Dünnwald kämen die meisten Menschen dort aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei, die Anerkennungsquote sei mit mehr als zwei Dritteln „enorm hoch“.
Die Regierung habe nach viel Kritik mittlerweile erkannt, so Dünnwald, dass man zumindest Beratung und Angebote von Flüchtlingshelfern in solchen Zentren anbieten sollte. Dadurch gehe es den Leuten besser, sie hätten Tagesstruktur und weniger Stress. Grundsätzlich aber kritisiert der Flüchtlingsrat diese Einrichtungen, weil die Menschen dort teilweise lange Zeit ohne Zugang zum Arbeitsmarkt in engen Verhältnissen bleiben müssten. In seiner Ankündigung am Dienstag versprach Markus Söder nun, dass künftig auch Flüchtlinge, deren Asylstatus noch nicht geklärt sei, einfacher und schneller eine Arbeit aufnehmen könnten.
Dass München mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte, um dadurch die ländlichen Gebiete zu entlasten, sieht Dünnwald jedoch durchaus auch als Chance für die Menschen. „Die Stadt macht extrem viel, es gibt hier Sprach- und Integrationskurse, Ausbildungs- und Wohnheimplätze. Das ist auch gut für die Geflüchteten.“