Tag der Arbeit in München„Was im Koalitionsvertrag so harmlos klingt, ist in Wahrheit ein Angriff auf den Arbeitsschutz“

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Mehr als 5000 Beschäftigte demonstrierten nach Gewerkschaftsangaben auf dem Marienplatz für bessere Löhne und Arbeitnehmerrechte.
Mehr als 5000 Beschäftigte demonstrierten nach Gewerkschaftsangaben auf dem Marienplatz für bessere Löhne und Arbeitnehmerrechte. (Foto: Florian Peljak)

Bei der Kundgebung am 1. Mai treten auf dem Marienplatz mehrere Tausend Arbeitnehmer für den Acht-Stunden-Tag und eine soziale Stadt ein. Manche Pläne der neuen Bundesregierung wecken Befürchtungen.

Von Heiner Effern

Der Marienplatz voller roter Fahnen, davor eine riesige Bühne, doch bevor die Gewerkschaften ihre Kundgebung zum 1. Mai starten können, müssen die Trillerpfeifen noch Pause machen. Punkt zwölf startet das Glockenspiel, und erst als die Touristen den letzten Ton gehört und die Figuren gefilmt haben, darf es auf der Bühne zur Sache gehen. Für den Acht-Stunden-Tag. Für Vielfalt statt Hetze. Für eine soziale Stadt München.

„Schulter an Schulter, laut, sichtbar und entschlossen“ müssen die Gewerkschaften für ihre Rechte eintreten, sagt Hauptredner Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, vor den nach Gewerkschaftsangaben 5000 Beschäftigten. „Was im Koalitionsvertrag so harmlos klingt, ist in Wahrheit ein Angriff auf den Arbeitsschutz, auf unsere Gesundheit und unser Privatleben.“ Er kritisiert die Pläne von Union und SPD für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit scharf. „Fällt der Acht-Stunden-Tag weg, bedeutet das längere Arbeitstage, unplanbare Schichten und weniger Erholung.“

Für seinen Vorschlag, die AfD zumindest teilweise zu behandeln wie jede andere Oppositionspartei, wird der designierte Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, vom Gewerkschaftschef ebenfalls heftig attackiert. Nachdenken vor dem Reden würde helfen, sagt Feiger. Für die Gewerkschaften gelte: „keinen Fußbreit den Faschisten in diesem Land“.

Eingeleitet haben die Kundgebung zuvor zwei SPD-Frauen:  Stadträtin Simon Burger begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer Eigenschaft als Münchner DGB-Chefin, Bürgermeisterin Verena Dietl verweist in ihrer Rede auf die sozialen Leistungen der Stadt. Besonders hebt sie die Gründung des Azubiwerks hervor, das Menschen in Ausbildung zu bezahlbaren Wohnungen verhelfen soll. Das sei „einzigartig in ganz Deutschland“.

Gemeinsam mit den Gewerkschaften habe es die Stadt geschafft, jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, sagt Dietl. Viele Menschen, gerade auch junge, machten sich Sorgen um die Zukunft. Diesen müsse die Gesellschaft Perspektiven bieten. Die Herausforderungen etwa auf dem Wohnungsmarkt würden immer größer. „München handelt“, verspricht die Bürgermeisterin.

Auf der letzten Maikundgebung vor der Kommunalwahl am 8. März 2026 stehen Burger und Dietl für die Verbindung der SPD mit den Gewerkschaften. Im vordersten Block werden auch fleißig die Fahnen der Partei geschwungen. Die politische Konkurrenz findet sich weiter hinten, ein etwas kleinerer Block der Grünen und ein größerer der Linken, die der SPD bei ihren früheren Stammwählern ordentlich zusetzen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fehlt wie auch in den beiden Vorjahren.

Im vordersten Block werden die Fahnen der SPD geschwungen, die politische Konkurrenz findet sich weiter hinten.
Im vordersten Block werden die Fahnen der SPD geschwungen, die politische Konkurrenz findet sich weiter hinten. (Foto: Florian Peljak)

Vor der Kommunalwahl 2020 hatte OB Reiter noch die Kundgebung zum 1. Mai für ein spektakuläres Wahlkampfgeschenk genutzt. Er versprach auf der Bühne, die München-Pauschale für die städtischen Beschäftigten zu verdoppeln. Dabei handelt es sich um einen Zuschlag, der kommunalen Mitarbeitern das Leben in der Stadt erleichtern soll. Schon knapp zwei Monate später hatte das Präsent den Stadtrat passiert, seither wendet München dafür und für weitere damals beschlossene Vergünstigungen jährlich etwa 100 Millionen Euro auf.

Für eine ähnliche Werbeaktion hätte die mittlerweile finanziell deutlich schlechter gestellte Stadt ohnehin kein Geld mehr. Vielleicht auch deshalb bleibt es beim Versprechen von Bürgermeisterin Dietl, sich weiter um alle in der Stadt zu kümmern und die soziale Gerechtigkeit weiter in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen.

Auf der Bühne keine Rolle spielt der Krieg in der Ukraine. OB Reiter war 2022 ausgepfiffen worden, als er die Haltung Deutschlands verteidigte. Auch dieses Jahr verurteilen Teilnehmer auf Plakaten die Aufrüstung in Deutschland und die militärische Hilfe für die Ukraine. Prominent vor der Bühne stehen Demonstranten, die jeweils ein Schild mit einem riesigen Buchstaben auf der Vorder- und Rückseite hochhalten. Auf der einen Seite steht zusammengesetzt „Nein zu deutschem Kriegskurs“ zu lesen, auf der anderen „Lernt aus 1914 und 1933: Nie wieder“.

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