Historischer Fund:Haarbüschel aus dem 13. bis 15. Jahrhundert

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Gefunden worden sind die Haare bei Ausgrabungen vor dem Bau der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke auf dem Marienhof. (Foto: dpa)

Eine Ausgrabung auf dem Marienhof beweist, dass Münchner sich schon vor 700 Jahren die Haare schnitten. Der Fund ist äußerst selten, denn normalerweise zersetzen sich Haare im Boden.

Von Jakob Wetzel

Es gehört heutzutage zum Toiletten-Einmaleins: Haare gehören nicht ins Klo, sie könnten den Abfluss verstopfen. Für die Münchnerinnen und Münchner aus dem späten Mittelalter aber galt diese Faustregel nicht, es gab ja keine Abflussrohre - und man muss sagen: zum Glück. Denn dadurch ist nun ein besonderer, vielleicht einzigartiger Fund zum Vorschein gekommen: Haarbüschel aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, entdeckt in einer ehemaligen Latrine. Und diese deuten darauf hin: Offenbar schnitten sich die hiesigen Menschen schon vor rund 700 Jahren regelmäßig die Haare.

Gefunden worden sind die Haare bei Ausgrabungen vor dem Bau der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke auf dem Marienhof. Archäologen stießen unter anderem auf einen Schacht, den die Münchner 1261 als Brunnen gegraben hatten, später aber mit Schutt befüllten und danach als Latrine verwendeten. Der Schacht sei von mehreren Menschen genutzt worden, sagt Eleonore Wintergerst von der Archäologischen Staatssammlung. Sie hätten alles Mögliche in ihm entdeckt: natürlich Ausscheidungen inklusive diverser Parasiten, aber auch etwa Seidenschnur oder Lederverschnitt, also Gewerbeabfälle. Und Haare: Die seien ein höchst seltener Fund. Normalerweise zersetzen sich Haare im Boden. Hier, im luftdichten und feuchten Schacht, blieben sie erhalten.

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Untersucht haben die Haare Biologinnen und Biologen des Landeskriminalamts; sie befassen sich sonst mit Haaren, die an Tatorten gefunden werden, nun leisteten sie Amtshilfe. Die Haare sind braun, etwa so lang wie ein Kugelschreiber und an beiden Enden geschnitten. Die Trägerin oder der Träger hatte sie sich also mehrmals schneiden lassen, wenn auch wohl eher nicht alle sechs bis acht Wochen, wie es Friseure heute oft empfehlen, dafür sind die Haare zu lang. Dennoch: "Dieser Fund zeigt, dass diese Person eine Frisur hatte", sagt Wintergerst. Haarschnitte aus der damaligen Zeit kenne man nur aus Buchmalereien. Nun habe man erstmals Haare dazu.

© SZ vom 11.09.2021 / wet - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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