Uraufführung von Marco Goeckes „Devil's Kitchen“ in MünchenHöllentanz zu Pink Floyds epischem Sound

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Meisterleistung in Highspeed: Das Bayerische Junior Ballett München in der Uraufführung von Marco Goeckes Choreografie „Devil's Kitchen“ im Prinzregententheater.
Meisterleistung in Highspeed: Das Bayerische Junior Ballett München in der Uraufführung von Marco Goeckes Choreografie „Devil's Kitchen“ im Prinzregententheater. (Foto: Marie-Laure Briane)

Zusammen mit dem Bayerischen Junior Ballett München begibt sich der Star-Choreograf Marco Goecke in Teufels Küche. Was dabei herauskommt,  ist abolut sterneverdächtig.

Kritik von Jutta Czeguhn

Marco Goecke war also dort, auf der dunklen Seite des Mondes. Nach dem Hundekot-Skandal, der den Choreografen in die Schlagzeilen katapultierte, und nach dem Tod seines Dackels Gustav habe er sich im Zustand einer „völligen Lähmung“ befunden. Goecke verrät das im Programmheft zu „Devil’s Kitchen“. Schwer larmoyant, dieser Rührstück-Ton, denkt man, schließlich war er es ja, der den Kackebeutel auf eine Journalistin geworfen hat.

Dann liest man weiter und begegnet einem verletzlichen Künstler voller Selbstzweifel, der sich mit dieser Auftragsarbeit für das Bayerische Junior Ballett München buchstäblich in Teufels Küche begeben hat. Gut für alle. Denn das Publikum im Prinzregententheater erlebte am Mittwoch bei der Uraufführung einen sterneverdächtigen Ballettabend.

Wie weiter, was kann noch kommen? Vor dieser Frage standen, nach dem überirdischen Erfolg von „The Dark Side Of The Moon“ (1973), auch David Gilmour, Roger Waters, Richard Wright und Nick Mason. Und brauten dann mit „Wish You Were Here“ in der Pink Floyd-Küche ihr womöglich bestes Studioalbum zusammen. Drei Songs daraus macht Goecke nun zu seinem Soundtrack. Das epische Gitarrengewitter von „Shine On You Crazy Diamond“ muss im Haus der Heinz-Bosl-Stiftung in Schwabing, wo der Choreograf mit den jungen Tänzerinnen und Tänzern für die Zeit der Proben in einer Art Mehrgenerationen-WG lebte und arbeitete, die Wände dauererschüttert haben.

Auf der dunklen, im Theaternebel verhangenen Bühne kontrastiert Goecke den getragenen Siebzigerjahre-Sound mit der für ihn typischen Highspeed-Hypernervosität: Atemloses Auf- und Abrennen der 15 großartigen Tänzerinnen und Tänzer. Die Bewegungen eruptiv, flatternde Arme, Hände, Fingerspitzen. Köpfe werden so ruckartig in den Nacken geworfen, dass allein das Zusehen schmerzt.

Alle Kontaktaufnahmen bleiben hier schon im Ansatz stecken. Diese Wesen, zuweilen fauchend, sind wie Aufziehspielzeug mit einer gnadenlosen Mechanik versehen. Nur für winzige Momente scheint die Batterie entladen, und sie lassen sich erschöpft, als Menschen aus Fleisch und Blut, in den langsamen Rhythmus der Musik fallen. Das ist tiefsinnig, anrührend, verstörend, große Kunst.

Tanzen mit kiloschweren Kugelhänden: Parker Gamble, Mitglied im Bayerisches Junior Ballett München, bewältigt die Aufgabe mit Eleganz.
Tanzen mit kiloschweren Kugelhänden: Parker Gamble, Mitglied im Bayerisches Junior Ballett München, bewältigt die Aufgabe mit Eleganz. (Foto: Marie-Laure Briane)

Auf Goeckes gehetzte Maschinen-Wesen folgten im zweiten Teil des Abends die ebenso fremdgesteuerten, aber tief in sich ruhenden Figurinen aus Oskar Schlemmers legendärem „Triadischem Ballett“ (1922). In der choreografischen Neufassung von Gerhard Bohner eine Art Signatur-Stück des Junior Balletts, in München erstmals 2014 einstudiert von Ivan Liška zusammen mit seiner Frau Colleen Scott. Die originalgetreu rekonstruierten Kostüme wandern nun zurück in die Gerhard-Bohner-Archive der Akademie der Künste Berlin. So hieß es also – womöglich für lange Zeit – Abschied nehmen vom Taucher, vom weißen Harlekin, den Scheibentänzern und all den anderen herrlich wundersamen Geschöpfen.

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