München Marathon:Integration in Laufschuhen

Sebastian Hallmann trainiert Münchner und Flüchtlinge

Von Alexander Mühlbach

Für ein paar Sekunden setzen die Läufer die Verkehrsregeln einfach außer Kraft, rennen über die Kreuzung in der Münchner Innenstadt, obwohl die Ampel rot ist. Bloß nicht den Anschluss an die Spitze des Feldes verlieren. Immer mehr überqueren die Straße: dreißig, vierzig, fünfzig Läufer. Ausgestattet mit einer Stirnlampe, die den Weg in der kalten Nacht weist. Eine homogene Masse, die von weitem so aussieht wie ein Schwarm Glühwürmchen.

Es ist nicht überliefert, ob das Organisationsteam des München Marathons Glühwürmchen im Kopf hatte, als sie das Projekt "Laufend integrieren" Ende August ins Leben riefen. Etwas leuchten wollten sie mit diesem Versuch, Flüchtlinge auf das Zehn-Kilometer-Rennen während des München Marathons vorzubereiten, aber schon. Also bieten die Organisatoren laufwilligen Flüchtlingen an, zweimal die Woche unter Anleitung des zehnfachen deutschen Leichtathletikmeisters Sebastian Hallmann zu trainieren. Einmal davon zusammen mit einer schon bestehenden Laufgruppe. "Ansonsten findet keine Integration statt", erklärt Hallmann. "Trainiere ich die Flüchtlinge alleine, redet doch, wenn überhaupt, nur einer mit mir, und der Rest bleibt unter sich."

Zwölf Flüchtlinge sind an diesem Mittwochabend in der Gruppe dabei. Sie kommen aus Somalia, Eritrea, Syrien, haben schon zu Hause Fußball gespielt, oder treiben überhaupt zum ersten Mal Sport. Seite an Seite laufen sie nun mit Studenten und Leuten, die voll im Berufsleben stehen. Irgendwann verlieren sie die Aufmerksamkeit für all das, was um sie herum geschieht. Sie lassen sich von der Masse treiben, fangen an miteinander zu reden. Da ist zum Beispiel der Junge aus Guinea, der auf Deutsch erklärt, wie schnell er am Sonntag laufen möchte ("sehr schnell"). Neben ihm fordert ein Flüchtling unterdessen lautstark nach einer Pause. Was wohl auch daran liegt, dass er nur normale Straßenschuhe anhat - was die Organisatoren eigentlich vermeiden wollten. Anfangs hatten sie die teilnehmenden Flüchtlinge noch mit neuen Laufschulen und Trainingsklamotten ausgestattet. "Aber manche Flüchtlinge kamen dann nur deswegen", erklärt Hallmann, viele seien seitdem gar nicht mehr aufgetaucht. Ein Fehler seitens der Organisation, sagt er: "Man hätte die Ausrüstung als Motivation nach dem Lauf ausgeben sollen." Auch bei der Sprache zeigt sich, dass die Integration ein schwieriger Prozess ist. Manche Flüchtlinge sprechen beispielsweise nur arabisch.

Trotzdem ist Hallmann von dem Projekt überzeugt: "Wenn nur zwei oder drei Flüchtlinge beim Laufen bleiben und hier Leute finden, mit denen sie sich verstehen, wäre es doch schon ein Erfolg." Den Lauftreff mit den Flüchtlingen soll es auch nach dem Marathon am Sonntag weiter geben. Die Glühwürmchen werden wieder ausschwärmen.

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