Süddeutsche Zeitung

Marathon:Münchner Massen-Bewegung

  • Sieger des München Marathons ist erneut der Franke Andreas Straßner: Er erreichte mit einer Zeit von 2:28:51 Stunden das Ziel.
  • Mehr als 21 000 Teilnehmer gingen bei strahlendem Sonnenschein an den Start.
  • Trotz zahlreicher Straßensperrungen und Umleitungen sei ein Verkehrschaos in der Stadt ausgeblieben, sagte eine Polizeisprecherin.

Von Thomas Jensen

Auf einmal beschleunigt Philipp Wolters noch einmal so richtig. Nichts sieht man in diesem Moment von der Belastung, die hinter ihm liegt. Die Beine wirken so federnd, dass er eher hüpft als läuft, das Lächeln ist so breit, jeder Zahn scheint im goldenen Licht dieses traumhaften Herbsttages einzeln zu blinken. Man könnte meinen, er würde aus Freude am Laufen eine Runde im Olympiastadion drehen und nicht die letzten Meter eines Marathons hinter sich bringen. Auch die Zuschauer registrieren diesen eindrücklichen Endspurt am Sonntag beim München Marathon und applaudieren dem Hobbyläufer. Dann hat es der Münchner geschafft. Wolters lässt es hinter dem Torbogen austrudeln und stützt seine Hände auf seine Knie.

Einen deutlich entspannteren Endspurt zeigt Andreas Straßner, 40, als er in 2:28:51 Stunden als Sieger das Ziel erreicht, exakt eine Stunde und 25 Minuten vor Wolters. Allerdings ist der Lauf für den Franken auch schon Routine, bereits im vergangenen Jahr hat er den München Marathon gewonnen. Die Massen am Start - diesmal sind es insgesamt 21 291 Teilnehmer -, die Führungsposition, der Zieleinlauf, die Gratulation des Münchner Kindls und die Siegerehrung, all das hat Straßner also schon erlebt. Entsprechend gelassen war er am Start: "Letztes Jahr war ich deutlich aufgeregter, allerdings ist schon eine gewisse Anspannung da, wenn man seinen Sieg wiederholen will. Man kennt das Starterfeld nicht, darum war es gut, dass es am Anfang nicht so schnell war. Und für mich ist es ja glücklich ausgegangen", sagte der Franke.

Das Glück ist Straßner anzusehen, er strahlt, während er genüsslich an seinem riesigen Sieger-Weißbier nippt, und wirkt kurz nach der Siegerehrung kaum mehr angestrengt. Die Belastung scheint er schon vorher gut verarbeitet zu haben: "Am Viktualienmarkt und am Marienplatz, da spürt man eigentlich keinen Schmerz. Auch der Weg Richtung Stadion war voller Zuschauer, das war wahnsinnig toll. Die Begeisterung hat man einfach gespürt."

Auch Philipp Wolters hat die Begeisterung am Wegesrand mitbekommen, er spürt sie immer noch, allerdings auch sehr wohl die Schmerzen: "Man hört auf zu laufen und die Beine tun einfach weiter weh." Um ihn herum ergeht es vielen nicht anders. 5500 Läufer nehmen am Marathon über die klassische 42,195-Kilometer-Distanz teil, Wolters kommt im größten Pulk ins Ziel. Und es wirkt in diesem Moment so, als ob sich jeder einzelne aus purer Erschöpfung auf eine Fläche freien Rasens quetscht und alle Viere von sicht streckt.

Nicht nur jetzt, sondern auch schon vor dem Start haben sich Wolters und die meisten Läufer wohl etwas anders gefühlt als der erfahrene Straßner: "Alle sind vor dem Start begeistert, man ist einfach geil drauf. Aber die Aufregung ist natürlich auch mega, das ist ja auch eine Riesenstrecke, die da vor einem liegt", sagt Wolters. Es war sein dritter Marathon, zuvor ist er einmal in München und in Berlin gelaufen.

Wolters trinkt kein Weißbier, sondern nur Wasser, nur langsam richtet er sich wieder auf und schaut sich wartend um. Vor fünf Wochen hat er einen Freund überredet, mitzulaufen, der zuvor noch nie einen Marathon gelaufen ist: "Wenn es von seinem Knie her passt, dann schafft er das. Der Flo zieht das durch", sagt Wolters.

Tatsächlich, eine weitere Stunde und fünf Minuten nach Wolters kommt auch Florian Hofmann ins Ziel. Trotz Knieschmerzen, die seine ohnehin schon sehr knappe Vorbereitungszeit noch einmal erheblich eingeschränkt haben. Doch Startnummer 5193 hat sich durchgekämpft: "Das Knie war die ganze Zeit richtig mies, aber ich habe mir gedacht: Aufgeben gibt es nicht. Ich habe die Belastung dann automatisch auf das andere Bein verlagert und da dann auch noch Krämpfe bekommen."

Auch bei ihm dauert die Erholungsphase nach dem Zieleinlauf einige Minuten: "Jetzt geht's mir immer noch beschissen, aber langsam hören die Muskeln zumindest ein bisschen auf, weh zu tun."

Egal wie unterschiedlich die Zeiten und auch Schmerzen sind, eines eint alle drei Läufer. Andreas Straßner formuliert es direkt nach dem Rennen sehr selbstbewusst: "Ich hab jetzt alle großen bayerischen Rennen gewonnen. Warum das größte nicht ein drittes Mal?" Philipp Wolters wird sowieso wieder dabei sein und auch Florian Hofmann hat nach seinem ersten Marathon Lust auf mehr. Wie mutmaßlich auch Alexandra Morozova. Die Russin verwies in 2:47:58 Stunden die Brasilianerin Adriana Domingos da Silva (2:51:08) und Lokalmatadorin Bianca Meyer (2:54:52) auf die Plätze. Ein Jugendlicher darf sich von nun an übrigens zu den besonders glücklichen Läufern zählen, die dieser Marathon hervorgebracht hat: der 14-jährige Michael Alfertshofer. Er erwischte beim 10-Kilometer-Lauf die falsche Abzweigung, lief aus Versehen den Marathon mit - und beendete ihn in beachtlichen 3:28:38 Stunden.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019/mmo
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