Süddeutsche Zeitung

Finanzen:Anruf aus Mainz: Wohin mit dem Geld?

Durch den Erfolg von Biontech ist die Stadt am Rhein auf einen Schlag reich geworden. Die vielen Millionen wieder loszuwerden, ist gar nicht so einfach. Hilfesuchend fragte man also bei einer Stadt nach, die sich damit auskennt: München.

Glosse von Anna Hoben

München hält sich gern für die beste Stadt, ist aber auch bereit, von Besseren zu lernen. Immer wieder unternehmen die Stadträtinnen und Stadträte politische Bildungsreisen, um sich kluge Ideen anderer Kommunen anzuschauen. In Stockholm und Kopenhagen ging es um Verkehr und Mobilität, in Venlo und Utrecht um moderne Büroraumkonzepte für die Verwaltung. Und dann war da noch der Ausflug ins als nahezu paradiesisch beleumundete Wien. Mit günstigen Mieten und dem berühmten "Gemeindebau", dem kommunalen sozialen Wohnungsbau. Dass sich im Jahr darauf die Schanigärten in München ausbreiteten, hat allerdings nichts mit dieser Reise zu tun, sondern mit Corona.

Auch umgekehrt funktioniert die Sache. Von München lernen kann ganz verschiedene Dinge bedeuten. Auf der ganzen Welt haben Städte das Oktoberfest importiert, also das, was sie darunter verstehen. Berlin hat in den vergangenen Jahren versucht, Münchens Mietmarkt zu kopieren - ziemlich erfolgreich, wie man anerkennen muss. Und in jüngster Zeit klopfen vermehrt Delegationen wegen der neuen Isarphilharmonie an. Sie wollen wissen, wie das denn möglich war: ein so großes Bauprojekt in der geplanten Zeit und dann auch noch vergleichsweise günstig hinzubekommen. "Das Wunder von München", so wird der Konzertsaal in Kulturkreisen angeblich tituliert.

Gegen Ende des vergangenen Jahres klingelte dann im Münchner Rathaus ein Telefon, die Stadt Mainz war dran. Dort hat sich jüngst auch ein Wunder ereignet. In Mainz sitzt die Biotechnologiefirma Biontech, die einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt hat. Weil auf Unternehmensgewinne Gewerbesteuern anfallen, bekam die hoch verschuldete Stadt allein für das vergangene Haushaltsjahr mehr als eine Milliarde Euro. Es war, als hätte jemand, der jahrelang auf der Verliererseite des Lebens stand, plötzlich im Lotto gewonnen, schrieb Die Zeit. Tja, und nun wollte man in Mainz Tipps von der Stadt mit Reichtumshintergrund: Was macht man bloß mit so viel Geld, und wie macht man es? So wird sinngemäß die Anekdote im Münchner Rathaus erzählt.

Nicht nur das Sparen, auch das Geldausgeben kann ganz schön anstrengend sein. Von wegen, das bisschen Haushalt macht sich von allein. Was nun die Finanzexperten der großen Landeshauptstadt der kleinen geraten haben, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht gibt es auch in Mainz bald grüne Radwege zu bestaunen. Durch die Farbe gehen die Kosten ja schön hoch, wie die Opposition im Münchner Stadtrat jüngst beklagt hat. Vielleicht leistet sich Mainz künftig aber auch viel mehr Machbarkeitsstudien. Solche Untersuchungen sind immer gut, wenn's noch ein bisschen teurer sein soll. Und wenn alles nichts hilft? Dann kann man der Stadt nur noch raten, eine Stammstrecke zu bauen.

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