Süddeutsche Zeitung

Soziales Projekt:"Wir lassen die Leute nicht im Regen stehen"

Der Katholische Männerfürsorgeverein unterstützt einst wohnungslose Familien beim Neustart in ein geregeltes Leben.

Von Sven Loerzer

Die Trennung von ihrem Mann war ein Kraftakt, das lässt sich unschwer erahnen, auch wenn die Mutter das nicht ausspricht. Anfang diesen Jahres war das, erzählt die Mutter zweier kleiner Kinder. Wer der Frau zuhört, wenn sie sagt, "dann stand ich mit zwei Koffern und meinen beiden Kindern auf der Straße", will die Frage nach dem Grund der Trennung nicht mehr stellen. Ihre Kinder brachte sie zunächst zu ihrer Freundin. Das Wohnungsamt vermittelte der Mutter und ihren Kindern dann einen Platz in einer Notunterkunft, in den Frauenhäusern war kein Platz für sie. Die Pension für Wohnungslose aber war zu nahe im unmittelbaren Umfeld ihres Mannes gelegen. Deshalb habe sie schon nach drei Tagen mit ihren Kindern in ein Clearinghaus des Katholischen Männerfürsorgevereins (KMFV) ziehen können. Damit ging es wieder aufwärts. "Alleine", sagt die Mutter, "alleine hätte ich das alles nicht geschafft".

"Die Trennung war für die Kinder schwierig. Im Clearinghaus hat man mir sehr geholfen, auch bei den vielen Papieren." Nun aber ist sie froh. Vor Kurzem konnte sie nun wieder eine eigene Wohnung beziehen: "Ich habe mich sehr gefreut, aber auch Angst gehabt, dass ich alleine noch nicht zurecht komme." Doch diese Angst konnte ihr ein neues Angebot nehmen, das der KMFV zur Nachbetreuung ehemals wohnungsloser Familien gestartet hat. Damit erhält die Mutter zweier Kinder nun ein Jahr lang sozialpädagogische Unterstützung durch den Ambulanten Fachdienst Wohnen München des Männerfürsorgevereins. Vier Stunden pro Woche kümmert sich Marion Riemhofer darum, dass die Familie im Alltag wieder Fuß fasst, steht bei Problemen zur Seite, damit die alleinerziehende Mutter alle Anforderungen gut bewältigt.

Für die neue Wohnung musste beim Jobcenter Geld für die Erstausstattung beantragt werden. "Ich hatte nicht einmal Bettwäsche", erzählt die Frau. Sie kaufte gebrauchte Möbel, die Einrichtung für ihre kleine Küche, eine Waschmaschine und das Mobiliar für das Kinderzimmer. Der Umzug ist erledigt, der erste Papierkram wie etwa die Ummeldung auch. Doch es bleibt noch viel zu tun: Die Mutter bezieht derzeit Arbeitslosengeld II, hofft auf einen Job. Die Kinder müssen aufgrund des Umzugs Schule, Mittagsbetreuung und Kindergarten wechseln. "Im laufenden Schuljahr ist das schwierig", sagt Marion Riemhofer.

Die Mitarbeiterin des Männerfürsorgevereins steht ihr zur Seite, etwa wenn es um Fragen geht, was an mietvertraglichen und sonstigen Pflichten zu erfüllen ist. Ganz egal, ob es um "Schriftkram" geht, Begleitung zu Behörden, Erziehungsfragen oder die Organisation der Nachmittagsbetreuung. Dabei schaut Riemhofer darauf, was die von ihr betreuten sechs Familien alleine erledigen können, und wo sie Unterstützung brauchen. Denn Ziel ist natürlich, die Familien in die Lage zu versetzen, alle Aufgaben selbständig zu erledigen und, sollte das nicht klappen, sich selbständig Hilfe zu holen. Am Ende des Nachbetreuungsjahres sollte das Ziel erreicht sein, eine Verlängerung um zweimal jeweils ein halbes Jahr ist bei Bedarf möglich. "Wir lassen die Leute nicht im Regen stehen." Wenn Marion Riemhofer ihren Einsatz beendet, sollten die Familien, wie sie sagt, "wissen, wo sie Unterstützung brauchen und wo sie hingehen müssen, wenn sie es aus eigener Kraft nicht schaffen".

Die Stadt finanziert die Nachbetreuung, weil das hilft "zu vermeiden, dass es wieder zu Wohnungsverlust kommt", sagt David Diekmann, Leiter der Clearinghäuser und stellvertretender Leiter des Ambulanten Fachdienstes Wohnen beim Männerfürsorgeverein. Denn gerade nach längerer Wohnungslosigkeit und bei sozialen Schwierigkeiten tun sich Familien oft schwer, den vielen Anforderungen sofort gerecht zu werden. Das Angebot "Unterstütztes Wohnen - Nachbetreuung für Familien im eigenen Wohnraum" ist darauf zugeschnitten, die nötigen Fähigkeiten wieder zu gewinnen oder neu zu erwerben. Dabei richtet sich das Augenmerk auch auf die Kinder, die unter dem Leben in Notunterkünften und oft mehreren Schulwechseln leiden. "Wir betreuen die ganze Familie", erklärt Diekmann. Familien, die innerhalb der vergangenen sechs Monate wieder in eine eigene Wohnung gezogen sind, können sich für eine Nachbetreuung an den Fachdienst wenden (Telefon: 089/452056415).

Die Wohnungsvermittlung für wohnungslose Familien, bedauert Diekmann, sei sehr spärlich geworden, "wir sind auf den Sozialwohnungsmarkt limitiert". Er wünscht sich, dass "mehr Vermieter wohnungslose Familien mit einem Wohnungsangebot unterstützen und ihnen somit eine Chance geben".

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Quelle:
SZ vom 16.11.2020/vewo
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