Wohnanlage in Schwabing:Vertrösten, verkaufen, vertreiben

Wohnanlage in Schwabing: Der Kran ist schon da, aber was kommt danach? Die Mieter in dem Quartier am Luitpoldpark sorgen sich um ihre Zukunft.

Der Kran ist schon da, aber was kommt danach? Die Mieter in dem Quartier am Luitpoldpark sorgen sich um ihre Zukunft.

(Foto: Privat)

Vor drei Jahren erwarb eine Fondsgesellschaft aus Luxemburg eine Wohnanlage am Luitpoldpark. Inzwischen hat sie die Weichen gestellt, um die Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Deshalb machen sich die Mieter Sorgen.

Von Ellen Draxel

Die Mieter des Karrees Schleißheimer/Bamberger/Gernotstraße sorgen sich um ihren Wohnraum. Seit drei Jahren schon - und nun aufs Neue. Damals erwarb die luxemburgische Fondsgesellschaft Jargonnant Partners (JP) die nur wenige Meter vom idyllischen Luitpoldpark gelegene Wohnanlage mit 89 Mietparteien. Weil JP fünf Jahre zuvor eine abgewohnte Anlage in Oberschleißheim mit 440 Wohnungen von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gekauft, saniert, modernisiert und anschließend an den Augsburger Immobilienkonzern Patrizia veräußert hatte, eilt dem Investor der Ruf eines Spekulanten voraus. Dass dies nicht unberechtigt ist, zeigt die aktuelle Entwicklung für das Schwabinger Quartier. "Der Verkauf der Wohnungen", erklärt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage, werde "derzeit vorbereitet".

Bislang hatte der Immobilienkonzern trotz geplanter Modernisierungen, Dachausbauten und Aufstockungen stets bestritten, dies vorzuhaben. Man habe vielmehr "höchstes Interesse" an einem "rücksichtsvollen und sozialverträglichen Miteinander mit unseren Mietern", betonte JP erst vor wenigen Wochen in einem Schreiben an den Bezirksausschuss Schwabing-West. Den Mietern versicherte man zum selben Zeitpunkt, "keine Kündigungen auszusprechen". Im Gegenteil: Wegen Einschränkungen aufgrund der Bautätigkeit wurde den Bewohnern eine Mietminderung von bis zu fünf Monatsmieten versprochen.

Anfang dieser Woche erhielten die Mieter zusätzlich das Angebot des Unternehmens, eine Sozialcharta zu unterzeichnen, die ihnen einen "Kündigungsschutz vor Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen von 15 Jahren" garantieren soll. Mietern, die das 60. Lebensjahr erreicht haben oder schwerbehindert sind, sagt JP "lebenslangen Kündigungsschutz wegen Eigenbedarfs" zu. Außerdem werde es "keine Mieterhöhung auf ortsübliches Niveau" gemäß dem Mietspiegel geben, solange die Fondsgesellschaft Eigentümerin der Wohnung sei, betont die Sprecherin. Bei einem Verkauf der Wohnungen ist diese Zusicherung aber Makulatur.

Die Lokalpolitiker und Mieter sind denn auch immer skeptisch geblieben. Denn Jargonnant Partners hat die Wohnanlage mittlerweile aufgeteilt. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Erhaltungssatzung "Birnauer Straße" es verhindern konnte. Die Erhaltungssatzung ist in bestimmten Fällen ein durchaus scharfes Schwert. In Gegenden, in denen das Mieterschutz-Instrument gilt, werden bauliche Veränderungen und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nur in besonderen Fällen genehmigt. Außerdem besitzt die Stadt ein Vorkaufsrecht auf Grundstücke in diesen Gebieten. Das Ziel ist, Mieter bestmöglich vor Verdrängung zu bewahren.

Investoren wissen das. Weil sich einzelne Wohnungen besser verkaufen lassen als ganze Häuser, versuchen Immobilienunternehmen immer wieder, vor Inkrafttreten von Erhaltungssatzungen noch schnell eine Genehmigung zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum zu bekommen. Ein Procedere, das Jargonnant Partners, wie sich jetzt herausstellte, im März vergangenen Jahres auf die Spitze trieb.

Der Antrag auf Aufteilung der Wohnanlage Schleißheimer Straße 238-244/Gernotstraße 1-9 ging am 9. März 2020 beim Grundbuchamt ein - nachdem der Planungsausschuss des Stadtrats wenige Tage zuvor, am 4. März, den Erlass einer Erhaltungssatzung für das Gebiet befürwortet hatte. Mit ausdrücklichem Verweis auf den Schutz der Mieter genau dieses Anwesens. Doch da die Erhaltungssatzung "Birnauer Straße" erst am 10. April in Kraft trat, der Antrag auf Teilung zu diesem Zeitpunkt aber schon vorlag, waren der Stadt die Hände gebunden: Sie musste der Umwandlung ohne Genehmigung durch das Sozialreferat stattgeben.

"Wir sind entsetzt, wie knapp das alles abgelaufen ist", sagt Thomas Klühspies, der Vorsitzende der Mietergemeinschaft. "Und wir befürchten, dass die Wohnungen verkauft werden und viele Mieter sich die Mietsteigerungen dann nicht mehr leisten können." Mieter und Stadtteilpolitiker hatten bis zuletzt die Hoffnung gehegt, die Aufteilung könnte aufgrund eines Formfehlers vielleicht nichtig sein. Denn der Bezirksausschuss Schwabing-West ist der Überzeugung, nie von einer Abgeschlossenheitsbescheinigung in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Doch selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, was die Lokalbaukommission auf Nachfrage nicht bestätigt - an der Sachlage würde das nichts ändern.

Denn ein Verfahrensfehler bedingt einen Verwaltungsakt. Und das Ausstellen einer Bescheinigung, sagt Planungsreferatssprecher Thorsten Vogel, sei kein Verwaltungsakt. "Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist lediglich ein Bestätigungsschreiben der Bauaufsichtsbehörde." Eines, das der Bauherr benötige, um den Wohnraum beim Grundbuchamt aufteilen zu lassen. Mehr nicht.

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