Süddeutsche Zeitung

Gescheiterte Pläne:Wenn Politik Frust schafft

Das Aus für die Partymeile an der Ludwigstraße ist ein herber Schlag für die Rathauskoalition um Oberbürgermeister Reiter. Es ist auch ein verheerendes Signal an leidende Anwohner und die Jugend der Stadt.

Kommentar von René Hofmann

Aus dem Plan wird nichts, und das ist nicht gut. Die Idee, die Ludwigstraße an den Sommerwochenenden für den Verkehr zu sperren, um ein Refugium zu schaffen für Menschen, denen wegen Corona Bars und Clubs als Begegnungsstätten fehlen, war vor wenigen Wochen nach wilden Stunden in der Dunkelheit wörtlich über Nacht entstanden. Von Anfang an gab es Bedenken. Der Polizei war nicht wohl bei der Vorstellung, dass in der Nähe zum Englischen Garten ein neuer Hotspot entstehen könnte. Und generell blieb die Frage, wie attraktiv ausgerechnet die Ministeriums-und Verwaltungsmeile für Partysuchende sein könnte. Dass der Plan nun aber ausgerechnet von der Verwaltung beerdigt wird, deren oberster Chef, OB Dieter Reiter (SPD), ihn aufbrachte: Das ist dann doch ein starkes Stück.

Geht nicht. Aus verkehrs- und pandemietechnischen Gründen, heißt es. Was übersetzt bedeutet: Aus der Idee wird in diesem Sommer generell nichts. Und zwar nirgends im Stadtgebiet. Das wiederum sendet ein verheerendes Signal. Den Anwohnern, die unter dem Lärm und den Hinterlassenschaften der Feiernden leiden, fehlt jegliche Perspektive auf Besserung.

Vor allem aber enttäuscht fühlen dürfen sich die Jungen, die unter den Pandemieeinschränkungen so lange besonders gelitten haben und denen die Stadtpolitik mit dem von ihr eilig ersonnenen Plan suggeriert hatte: Wir sehen euch! Wir nehmen eure Bedürfnisse ernst! Wir bemühen uns, für diese Räume zu öffnen! Wir kümmern uns! Dieses Versprechen ist geplatzt. Und die Folgen könnten über den Sommer hinaus zu spüren sein. Politiker, die Versprechen geben, die sie nicht halten können, bekommen ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Bundes- und Landesgesetze lassen den Kommunen bei der Pandemiebekämpfung und -bewältigung an vielen Stellen nur wenige Spielräume. Das Aus für die Feiermeile im Herzen der Stadt ist nun aber schon das zweite Anliegen, mit dem OB Dieter Reiter scheitert. Das stadtweite Alkoholverbot, das er im vergangenen Sommer erlassen wollte, hatte sogar eine noch kürzere Halbwertzeit.

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SZ vom 06.07.2021/syn
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