Kritik:Erlösung

Der britische Rapper Loyle Carner begeistert in der Tonhalle.

Von Martin Pfnür

Als sich der Nebel auf der Bühne lichtet und erst eine fünfköpfige Band samt DJ, und dann auch Loyle Carner freigibt, geht eine Euphoriewelle durch die ausverkaufte Tonhalle, die sich förmlich mit Händen greifen lässt. Ebenso viele Handys zur Moment-Konservierung wie Hände als Ausdruck elektrisierten Angeschlossenseins gehen nach oben, als sich der Londoner MC mit "Hate", dem beatgewaltigen Opener seines neuen Albums "Hugo", direkt in jenen selbstreflektierenden Furor hineinstürzt, der dieser Platte ihre Dringlichkeit verleiht.

"Yo, they said it was all that you could be if you were black / Playing ball or maybe rap / and they say it like a fact", rappt er darin in einem schmerzhaft zwingenden Flow, der auf der Bühne noch deutlicher macht, warum Carner mittlerweile zu den ganz Großen seiner Zunft zählt.

Aufgewachsen im rauen Londoner Süden als Sohn einer weißen Mutter und eines lange abwesenden schwarzen Vaters, stellt er das Sinnieren über die eigene Identität und Zugehörigkeit ins Zentrum von "Hugo" und verknüpft dabei in bester Conscious-Rap-Manier das Biografische mit ewig lodernden Brennpunkten wie der determinierten Chancenungleichheit zwischen den Hautfarben.

Das ist Lichtjahre vom Status-Geprotze des Gangsta-Rap entfernt - und musikalisch zugleich ein Hochgenuss. Denn auch wenn Carner seine Tracks hier mitunter einfach mal ohne jede Begleitung als Gedichte vorträgt, und manch feine Nuance wie das butterweiche Saxophon in "Ain't Nothing Changed" aus der Konserve erklingt, so sind diese doch immer noch ozeantief in den großen Traditionen der schwarzen Musik verwurzelt. Vor allem im Soul, der etwa im luftig leichten "Damselfly" von seiner jazzigen Seite her interpretiert wird. Aber auch im Gospel, der in "Nobody Knows (Ladas Road)" per Sample in Chorstärke zugespielt wird, und die Halle mit einer spirituellen Energie flutet, die nichts anderes als die Erlösung von allem Übel verheißt. Glory Halleluja.

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