Schriftsteller Lorenz von Westenrieder:Wo "die eingeschränktesten Köpfe mit engen Herzen" leben

Schriftsteller Lorenz von Westenrieder: Lorenz von Westenrieder - hier auf einem Ölgemälde von Moritz Kellerhoven aus dem Jahr 1803.

Lorenz von Westenrieder - hier auf einem Ölgemälde von Moritz Kellerhoven aus dem Jahr 1803.

(Foto: Münchner Stadtmuseum/CC BY-SA 4)

Lorenz von Westenrieder wurde vor 275 Jahren in eine unruhige Zeit geboren. Als Schriftsteller dürfte er weniger bekannt sein, dabei war er einer der wichtigsten Akteure der Aufklärung in Bayern - und zeichnete ein Bild von München, das nicht immer schmeichelhaft war.

Von Wolfgang Görl

Ein toller Anfang, den sich der Mann ausgedacht hat. Es sind Zeilen, die den Leser und die Leserin neugierig machen, man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. "Ich stund im Jahr - den 1. Dec. in unserm großen Kirchhofe außer der Stadt, auf einem der Hügel, worunter die Bürger und Bauern, welche im Jahr 1705 von den Kaiserlichen erschlagen worden, begraben liegen. Vier Träger trugen einen Sarg heraus, setzten ihn nieder, nahmen ein farbloses Baartuch herab, banden die Stricke los, und gingen davon. Nicht Einer hat sich noch umgesehen. Ein halb finstrer Mann nahm den Sarg mit aller möglichen Gleichgültigkeit, ließ ihn eilfertig durch ein Brett, das schief lag, hinabrollen, zog das Brett heraus, so, dass es einen dumpfen Schall heraufgab, überwühlte ihn in etlichen Minuten mit Erde, und Stein, und halben Schädeln und ging davon. Nicht ein einzigesmal hat er sich umgesehen. (...) Ich hätte nun meinen Gedanken nachhängen, und hier bleiben, oder ruhig meines Wegs gehen sollen; aber ich weiß nicht, was mich antrieb, dem Gräber nachzueilen, und mich um die Person, die hier läge, zu erkundigen. Ich erfuhr, dass es ein junger Mann von etlichen und dreyßig Jahren wäre, der an der Auszehrung starb. Das ist auch das beste, sagt der Gräber, was er thun konnte; denn er war ein Gelehrter, ohne Amt, äußerst arm: und, ohne Hoffnung, dass er jemals genesen werde, schon bettlägerig ein halbes Jahr."

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