Lockdown in München:Welche Bars wir vermissen

Sie sind wahre Perlen im Münchner Nachtleben, zweite Wohnzimmer oder Orte, über die jeder mindestens eine absurde Geschichte erzählen kann: Sieben Liebeserklärungen an Bars, die gerade fehlen.

Von SZ-Autoren

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Bumsvoll Bar

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Quelle: Catherina Hess

Die Erinnerungen an die Abende in der Bumsvoll Bar sind verschwommen. Sie sind lange her, wie alle Abende in einer gesteckt vollen Boazn, aber daran liegt es sicher nicht.

Vielleicht ist Betreiber Luca Meenen schuld an der schemenhaften Erinnerung. Er, der nur allzu gerne die dritte und vierte Runde Pfeffi im bunten Retro-Schnapsglasgestell an den Tisch brachte. Oder die Freunde, die sich freitagabends dazu aufrafften, ihr Sofa zu verlassen und hier am Tresen Platz zu nehmen, wofür man aus Dankbarkeit zu viele Weinschorlen bestellte. Oder es lag an dem betrunkenen jungen Mann, der sich von einem Einhorn-Luftballon derart beobachtet fühlte, dass er ihn den ganzen Abend wüst beschimpfte: Wohl noch nie haben so viele Löwen-Fans einen Einhorn-Luftballon beschützt.

Vielleicht waren es auch die herrlichen Gespräche auf den Eingangsstufen zur Bar, bei denen aus einer Zigarette oft zwei wurden, oder, oder, oder. Welcher Umstand auch immer schuld an der verschwommenen Erinnerung ist: Beim nächsten Besuch wird es hoffentlich wieder ganz genauso.

Bumsvoll Bar, Zugspitzstraße 19, 81541 München

Vanessa Fonth

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Kilombo

Pressebilder: Farbenladen / Geschlossene Gesellschaft

Quelle: Christian Schmid

Ein Bier aufmachen, Musik aufdrehen, noch ein Bier, ja, das geht schon auch von zuhause aus. Aber einen Besuch im Kilombo ersetzt das nicht. Nein, meist stimmt es einen nur noch wehmütiger. Denn in der Kneipe im Westend geht es um mehr, als dazusitzen und an einem Getränk zu nuckeln. Hier kommt das Viertel zusammen: der Nachbar aus der WG gegenüber, der ab und zu rausgeht, um eine Zigarette zu rauchen, das Elternpaar, das man vom Spielplatz kennt und sich auch einen Babysitter organisiert hat, oder der Fotograf, der am liebsten analog knipst. Doch nun darf sich das Viertel nicht mehr sehen. Die schwere Tür vom Kilombo ist seit Monaten verschlossen, hinter den großen Fensterscheiben schimmert kein rötliches Licht, es ist es dunkel.

Im Kilombo geht es um Geselligkeit. Um alles andere nur am Rande. Das Ayinger vom Fass macht manchmal arg schnell Kopfweh, die Einrichtung ist schlicht: Es gibt ein paar Tische und braune Polsterstühle, die meisten Gäste stehen oder lungern auf den breiten Fensterbänken. Die Musikauswahl, viel Gitarre, ist bedacht, oft legt ein DJ auf. Sogar genug Platz zum Tanzen ist vorhanden. Wie herrlich unkompliziert und ungezwungen.

Kilombo, Gollierstraße 14a, 80339 München

Lisa Sonnabend

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Vivo

Lokal "Vivo" in München, 2012

Quelle: Stephan Rumpf

Freitagabends mit Freunden an irgendeiner Theke in irgendeiner Kneipe versacken und später glückstrunken nach Hause torkeln: Diese Art von Normalzustand fehlt. Wo das vor dem Lockdown besonders gut ging? Zwischen schafkopfspielenden Herrenrunden, kickernden Studenten und eingefleischten Fußballfans im Vivo in Haidhausen. Das Vivo ist vor allem eins: unprätentiös, herrlich normal und umwoben von einem Hauch linksalternativer Szene. Günstiger Schnaps, warmes Essen bis zum Ladenschluss und sonntags Fußball. Was will man mehr?

Doch die Freude auf ein Wiedersehen ist getrübt. Während des zweiten Lockdowns ist die Seele des Vivo, Wirt Basti, gestorben. Ob die so angenehm normale Kneipenwelt hinter der roten Tür ohne ihn wieder werden kann, wie sie mal war?

Vivo, Lothringer Straße 11, 81667 München

Hanna Emunds

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Bar du Port

Bar du Port in Neuhausen, Albrechtstraße 32

Quelle: Florian Peljak

Stimmenwirrwarr, Gedränge und schummriges Licht: diese Bar-Nächte scheinen weit entfernt. Um dem Alltag zu entfliehen oder einfach nur den Abend gebührend zu beenden, ließ es sich in Neuhausen gut in der Bar du Port einkehren. Zwar hält sich im Viertel die Kneipendichte in Grenzen, aber dafür ist das ehemalige Bierstüberl umso beliebter und längst kein Geheimtipp mehr.

Die Bar du Port ist herrlich unkompliziert und gemütlich. Reservieren? Geht nicht. Es gibt keine Telefonnummer und keine Webseite. Neben schweren und super bequemen Ledersesseln, alten Gemälden über dem Tresen und Schiffs-Dekoration findet der Gast in der Hafenbar mehr als 60 Sorten Gin. Und Inhaber Marcus Kraft zeigt bei jedem Besuch nicht nur sein Können als Barkeeper. Er findet für jeden den passenden Drink, zum Naschen gibt's Nüsschen oder Flips. Ist die winzige Kneipe schon voll, zaubert er immer noch eine Sitzgelegenheit her; die lauen Sommerabende werden auf den kleinen Stühlen vor dem Eingang genossen. Und die Pizza vom Nachbarn, dem Ristorante Il Trullo, schmeckt hier besonders gut.

Die Gäste sind in der Bar du Port spürbar das Wichtigste. Ein Wohlfühlort, der schmerzlich vermisst wird.

Bar du Port, Albrechtstraße 32, 80636 München

Jana Jöbstl

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Shaxe Bar

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Quelle: Catherina Hess

Die meisten Münchner sitzen nicht allzu oft bis fünf Uhr morgens am Tresen. Momentan ohnehin nicht, aber ein Grund ist auch, dass es in dieser Stadt - und vor allem in der Maxvorstadt - nicht viele Bars gibt, die bis in die frühen Morgenstunden geöffnet haben.

Eine davon aber ist die Shaxe Bar. Bars wie sie waren nicht einmal im vergangenen Sommer wieder offen, sondern sind seit nunmehr elf Monaten durchgehend geschlossen. Wer sich nun fragt, von welcher Bar die Rede ist: Seit einer erzwungenen Namensänderung heißt die kleine Boazn in der Theresienstraße nicht mehr "Shakira Bar", sondern eben Shaxe - auch wenn das Bild an der Fensterfront der kolumbianischen Sängerin immer noch zum Verwechseln ähnlich sieht. Bis auf den Namen hat sich glücklicherweise nichts geändert. Die Bar ist immer noch so ranzig wie eh und je. Und hat vielleicht genau deshalb in einer so auf Sauberkeit bedachten Stadt wie München Kultstatus erlangt. Jeder, der einmal dort war, hat mindestens eine lustige oder absurde Geschichte zu erzählen.

Seit Beginn der Pandemie sind es aber vor allem die vermeintlich unspektakulären Abende, die fehlen. Am Tresen sitzen, Bier trinken, Dart spielen und nicht auf die Uhr schauen müssen. Nur für einen Abend die Zeit vergessen und irgendwann einander in den Armen liegend nach Haus wanken dürfen, danach ruft die Sehnsucht nach all den vernünftigen Monaten. Einmal wieder unvernünftig sein, das wäre schön. Und unvernünftig sein, das geht kaum an einem Ort so gut wie in der Shaxe Bar.

Shaxe Bar, Theresienstraße 73, 80333 München

Jacqueline Lang

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Corleone

Bar 'Corleone' am Sendlinger Tor in München, 2015

Quelle: Stephan Rumpf

Wenn es hüpfender-Körper-an-hüpfender-Körper-voll ist, passt ins Corleone gerade mal eine Schulklasse. Der kleine Raum mit den hohen Wänden, direkt beim Sendlinger-Tor-Platz, war mal ein Feinkostgeschäft auf 40 Quadratmetern. Heute - oder besser, in einem heute abseits der Pandemie - ist das Corleone ein abendliches Feinkostgeschäft für Liebhaber guter Musik und guter Videokunst. Die Musik kommt meist vom DJ hinter dem Tresen, mal spielt eine Band live, und immer ist da die Frage, wie all das in den kleinen Laden überhaupt hineingepasst hat. Ein paar Sitzmöglichkeiten am Rand gibt es in dem Sardinenschachtel-Raumwunder, hauptsächlich aber wird gestanden oder gleich getanzt, zumindest am Wochenende. Und zwischendurch mal am Tresen gelehnt. Von dort aus lässt sich zum Beispiel beobachten, was für eine Kunstinstallation gerade von der Decke baumelt, körperlose Beine vielleicht; oder was der Projektor auf die Betonwände wirft, etwa Giraffen, die im Takt der Musik elegant ins Schwimmbad springen. Oder es lässt sich, leichte Drehung in die andere Richtung, ein Drink bestellen, zu äußerst fairen Preisen. Mutige Connaisseure ordern zwischendurch einen Agwa. Ein grün schimmernder Likör aus Bolivien, hergestellt aus der Kokapflanze nach einem Rezept, das schon die Inkas berauscht haben soll.

Im Corleone sind die Leute hinter der Bar und auch die meisten, die davor anzutreffen sind, sehr nett. Die Betreiber haben einige Kulturzwischennutzungen organisiert und verfügen so über ein Netzwerk von DJs und Künstlern, das die Bar gerne bespielt und gerne besucht. Ohne elitäres Gehabe und Dress to Impress herrscht hier noch das Gefühl, die Leute kämen tatsächlich vor allem, um Spaß zu haben. Und weil die Bar so klein ist, entsteht in euphorisierten Momenten schnell das Gefühl einer eingeschworenen Gemeinschaft, die gemeinsam in die Nacht hineintanzt.

Das Corleone hat auch im Lockdown einiges auf die Beine gestellt und veranstaltet beispielsweise DJ-Livestreams gegen eine kleine Spende. Bis ein solcher Laden wieder öffnen darf, wird aber noch Zeit vergehen. Halte durch, kleine Perle. München braucht Refugien wie dich.

Corleone Bar, Sendlinger-Tor-Platz 7, 80336 München

Laura Kaufmann

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Carlito's Minibar

"Carlito's Minibar" in München, 2012

Quelle: Florian Peljak

Wie gut muss eine Bar sein, wenn man sogar im Sommer lieber dorthin geht als an die Isar? Carlito's Minibar ist in der Au und nur ein paar Minuten vom Fluss entfernt. Wenn man sich in diesen Tagen zum Spazieren trifft, läuft man quasi daran vorbei und möchte regelmäßig an der Tür kratzen und das präpandemische Leben zurückerflehen. Dabei war das Leben für Caius Prien, Minibar-Wirt und Minibar-Seele, schon da nicht leicht. Nach einer schweren Krankheit sperrte er das Carlito's nicht mehr täglich auf. Also staute sich schon vor Corona die große Sehnsucht nach der kleinen Bar, an den wenigen Abenden stapelten sich oft die Gäste. Denn "Minibar" ist ernstgemeint: Ein Tisch am Fenster, ein langer Tresen mit Barhockern, zwei Tische hinten. Das war's. Mittendrin Caius Prien.

Schon nach dem ersten Besuch erkennt er einen wieder, merkt sich Gesichter und Geschichten. Das wundersame ist, dass Carlito's Minibar für jeden Anlass schlichtweg der beste Ort ist. Für erste Gespräche, tiefe Gespräche, endlose Gespräche oder letzte Gespräche. Bier vom Fass, eine reiche Auswahl an Drinks, viele liebevolle Details hinter der Bar, Bilder an den Wänden. Wer alleine kommt, hat entweder genug zu schauen oder wird von Caius Prien unterhalten. Wer mit Begleitung kommt, bekommt auch auf kleinstem Raum genug Privatsphäre - und wird erst beim nächsten Besuch dazu befragt. Das Carlito's kommt dem Klischee vom Wohnzimmer schon recht nahe. Nur helfen tut das in Virus-Zeiten nicht, denn Zweitwohnzimmer sind innerhalb der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht vorgesehen. Gegen die Pandemie und die Sehnsucht hilft also nur Abwarten und Aushalten. Auf ein baldiges Wiedersehen!

Carlito's Minibar, Ohlmüllerstraße 11, 81541 München

Ingrid Fuchs

© SZ.de/amm
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