Studium in Corona-Zeiten:Wie sich Münchens Hochschulen auf das Wintersemester einstellen

Studium in Corona-Zeiten: Um für Präsenzprüfungen ausreichend Raum zu schaffen, stehen auf dem Gelände der Technischen Universität an der Arcisstraße vorübergehend mobile Zelte.

Um für Präsenzprüfungen ausreichend Raum zu schaffen, stehen auf dem Gelände der Technischen Universität an der Arcisstraße vorübergehend mobile Zelte.

(Foto: Catherina Hess)

Einige Seminare an der Uni, der Rest nur online: Corona hat das Hochschulleben auf den Kopf gestellt. Anfangs lief es teils chaotisch, was kommt im Herbst?

Von Sabine Buchwald

Eine außergewöhnliche Vorlesungszeit neigt sich dem Ende zu. Noch sind nicht alle Prüfungen geschrieben, noch ist nicht klar, wie das Sommersemester für den einzelnen Studierenden ausgehen wird. Sicher aber ist: Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation muss dieses Semester nicht als Fachsemester zählen. Das betonte Wissenschaftsminister Bernd Sibler am Mittwochmittag.

Dass sich Abgabe- und Anmeldefristen sowie auch die Bafög-Höchstbezugsdauer automatisch um ein Semester verlängern, mag für manchen Studierenden tröstlich sein. Vielleicht auch, dass der Minister "zurück zu mehr Normalität an Bayerns Hochschulen" möchte. Lehrveranstaltungen mit bis zu 200 Personen sollen im Herbst wieder möglich werden. Dies unter Einhaltung der mittlerweile bekannten Abstandsregel von anderthalb Metern zueinander.

Die Daten der Teilnehmer jeder Präsenzveranstaltung müssen festgehalten werden, etwa über die Matrikelnummer. Voraussetzung sind entsprechend große Räume. Vorlesungen für mehrere Hundert Studierende, etwa Einführungsveranstaltungen in beliebten Fächern wie Betriebswirtschaftslehre, sollen auch im Wintersemester online ablaufen. Auf diese Weise stünden die großen Säle für kleinere Formate zur Verfügung. Im Sommersemester waren Seminare oder Übungen nur mit maximal 30 Personen zugelassen und etwa 90 Prozent der Veranstaltungen online. Im Wintersemester soll es einen etwa gleichwertigen Mix geben, so der Minister.

Ein solches "Hybrid-Semester" wünschen sich auch die Hochschulen. Vorausgesetzt die Infektionslage lässt dies zu. Der Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule) sowie den kleineren Hochschulen wie der Katholischen Stiftungshochschule bleiben bis 1. Oktober Zeit, sich darauf vorzubereiten. An der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität (TU) wird das neue Semester am 2. November starten.

"Im Wintersemester werden wir nicht mehr von Corona überrascht, wir sind vorbereitet", sagt Oliver Jahraus, Germanist und Vizepräsident für den Bereich Studium an der LMU. Anders als im Sommersemester werden sich allerdings viel mehr junge Menschen zum ersten Mal an einer Hochschule einschreiben. An der LMU erwartet man mehr als 8000 Erstsemester. Deshalb lege man ein besonderes Augenmerk auf sie - etwa mit erweiterten Tutorenprogrammen. "Es ist wichtig, dass die neuen Studierenden andere kennen und ihre Dozenten und Professoren einschätzen lernen." Auch deswegen hofft Jahraus auf ein Teilpräsenz-Semester. Grundsätzlich findet er, dass das Gespräch zwischen Professoren und Studierenden wichtig sei, damit man in wissenschaftliche Streitgespräche kommen könne.

Teils heftige Kritik musste sich die LMU bezüglich der Arbeitsmöglichkeiten gefallen lassen. "Lernräume waren ein schwieriges Thema, weil die Gebäude aus Sicherheitsgründen geschlossen waren und Arbeitsplätze meistens an Bibliotheken gekoppelt sind", sagt Jahraus. "Es wurde kritisiert, aber es war richtig, dass wir als erstes den Ausleihbetrieb der Bibliotheken wieder aufgenommen haben und auch mit Sondermitteln viele E-Bücher angeschafft haben." Seit ein paar Wochen gibt es nun wieder eine reduzierte Zahl an Arbeitsplätzen etwa im Philologicum und anderen Bibliotheken, allerdings mit einem Voranmeldeverfahren.

Studium in Corona-Zeiten: Die Vorlesungssäle bleiben leer.

Die Vorlesungssäle bleiben leer.

(Foto: Catherina Hess)

Besonders Studierende, die beengt oder gar ohne sicheren Wlan-Zugang zu Hause arbeiten mussten, empfanden die späte Öffnung als erschwerend. Die Stimmung insbesondere in der Physik-Fakultät und bei den Juristen war nicht die beste. Die Beteiligung an Online-Seminaren habe stark abgenommen, berichtet ein Physik-Student, der namentlich nicht genannt werden möchte. Man habe keinen Zugang zu Druckern bekommen und auch die Kommunikation mit den Studierenden sei nicht gut gelaufen. "Die LMU ist weit, weit hinterher im Vergleich zur Fachhochschule und zur TU", sagt er.

"Am Anfang war es relativ chaotisch", berichtet aber auch TU-Student Philipp Koch. Dennoch empfand er die Situation insgesamt als "zufriedenstellend". Nur mit einigen Dozenten und Professoren sei es nicht so gut gelaufen. Ein wichtiger Aspekt sei die Betreuung der Studenten und - noch wichtiger - klare Vorgaben. Für manche Studierende sei es schwierig, ihrem Tag eine Struktur zu geben. Eine solche komme aber mit Online-Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht. Für das Wintersemester wünscht er sich einen besseren Austausch zwischen den Studienfreunden und auch Dozenten. Die zeitliche Flexibilität sei ein Plus, gibt er zu. Aber einen Professor nach einer Vorlesung mal schnell etwas zu fragen, das traue man sich bei einer Video-Veranstaltung oft nicht.

Weit mehr als 25 000 Lehrvideos sind im Sommersemester an der TU entstanden. Die Professoren bekamen die Anweisung, kleinere Formate zu machen - und keine Videos in Spielfilmlänge. Außerdem sollten sie im Anschluss das Gehörte mit Fragen in Quizformat festigen. Sie bekamen sogenannte E-Scouts zur Unterstützung: Dazu wurden Studierende ausgebildet, das Videomaterial der Dozenten zu schneiden, von Versprechern und "hms" zu bereinigen.

Dieses Angebot sei über Studienzuschüsse des Freistaats mitfinanziert worden, erklärt Gerhard Müller, als Vizepräsident an der TU für die Lehre zuständig. Es seien durchaus offene Diskussionsforen online möglich gewesen, aber eine Hochschule sei ein Ort der Begegnung. "Alle sehnen sich nach einem vollen Campus." Wie viele Präsenz-Veranstaltungen es im Herbst geben werde, sei nicht absehbar, aber man bereite sich auf unterschiedliche Szenarien vor. Müller ruft die Studierenden auf, Mikrofon und Kamera einzuschalten und sich reger online zu beteiligen. Mitdiskutieren helfe gegen Vereinsamung in den eigenen vier Wänden. Er würde Abiturienten empfehlen, mit dem Studium anzufangen: "Die Universitäten und das Lernen sind wohl weniger eingeschränkt durch Corona als andere Bereiche des Lebens."

"Wir haben gesehen, dass die Hochschulgemeinde sehr gut funktioniert", sagt Klaus Kreulich, Vizepräsident der Fachhochschule. Die Belastung der Dozenten sei aber hoch gewesen. Corona habe die Digitalisierung enorm vorangetrieben. Klar ist für ihn: Die Präsenzlehre werde nicht mehr dieselbe sein wie vorher.

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