Neue Studie an der LMU:Weniger Nebenwirkungen, mehr Sicherheit

Neue Studie an der LMU: Wie viele Medikamente sind zu viel? Und welche Kombination ist kritisch? Eine Studie untersucht, wie Kranke von einer besseren Zusammenarbeit von Arztpraxis und Apotheke profitieren könnten.

Wie viele Medikamente sind zu viel? Und welche Kombination ist kritisch? Eine Studie untersucht, wie Kranke von einer besseren Zusammenarbeit von Arztpraxis und Apotheke profitieren könnten.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Gibt es weniger Arzneimittel-Risiken, wenn Hausärzte eng mit Apothekern kooperieren? Tobias Dreischulte vom Institut für Allgemeinmedizin will das in einer Studie herausfinden. Welche Vorteile er sich für Patienten erhofft.

Von Stephan Handel

Morgens das Antidepressivum und die Pillen gegen den hohen Blutdruck, danach etwas fürs Cholesterin, nach dem Mittagessen Tropfen zur Eindämmung des Sodbrennens und am Abend eine Schlaftablette für eine ruhige Nacht: Gerade ältere Menschen führen sich oft täglich einen Medikamenten-Cocktail zu, bei dem Neben-und Wechselwirkungen fast unkalkulierbar sind. Das hat Folgen: 6,5 Prozent aller Behandlungsfälle in Notaufnahmen werden laut einer Studie an vier Universitätskliniken auf unerwünschte Arzneimittelwirkung zurückgeführt.

Tobias Dreischulte, Professor für klinische Versorgungsforschung am Institut für Allgemeinmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), hat darüber nachgedacht, wie sich diese Situation verbessern ließe -und weil er selbst Pharmazie studiert hat, fielen ihm seine ehemaligen Kollegen ein: die Apotheker. "Ich behaupte nicht, dass Apotheker Medikation besser können als Ärzte", sagt Dreischulte. "Sie bringen aber eine andere Perspektive ein."

Dreischulte hat eine Studie konzipiert, die demnächst beginnen und bis Mai 2025 laufen soll: Dabei sollen eine Hausarztpraxis und eine Apotheke zusammenarbeiten, gemeinsam die Medikation ausgewählter Patienten überprüfen und gemeinsam eine Entscheidung treffen, ob denn wirklich alle Pillen, Wässerchen und sonstigen Mittel nötig sind. Sollte am Ende tatsächlich eine Reduzierung festzustellen sein, dann wäre laut Dreischulte der Vorteil einer solchen Vorgehensweise nachgewiesen.

Neue Studie an der LMU: Tobias Dreischulte ist Professor für klinische Versorgungsforschung am Institut für Allgemeinmedizin der LMU.

Tobias Dreischulte ist Professor für klinische Versorgungsforschung am Institut für Allgemeinmedizin der LMU.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dreischulte will den Ärzten keineswegs Fahrlässigkeit geschweige denn böse Absicht unterstellen: "Da kommt ein Patient mit akuten Beschwerden. Für den Arzt ist die oberste Priorität, diese Beschwerden zu lindern. Da kann es vorkommen, dass für eine Gesamtschau aller Medikamente wenig Zeit bleibt." Vor allem bei langfristig verordneten Arzneien kann das der Fall sein: Da ist die Schlaftablette am Abend so zur Gewohnheit geworden, dass sie in der Medikationsliste übersehen wird.

Apotheker sollen eine neue Perspektive einbringen

Werde nun ein Apotheker einbezogen, so die Hoffnung Dreischultes, komme eine andere Perspektive ins Spiel - er richte den Blick zuerst auf die Medikamentensicherheit und könne so Risiken erkennen, die der Arzt nicht sieht oder unterschätzt. Gemeinsam können die beiden nun eine Empfehlung für den Patienten erarbeiten, wobei die letztendliche Verantwortung natürlich beim Arzt bleibt.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können gefährlich werden - Antibiotika etwa beeinflussen die Effekte zahlreicher anderer Medikamente. So können Wirkungen verstärkt oder abgeschwächt werden, manche Mittel verhindern den Abbau von Langzeit-Mitteln, so dass der Spiegel im Körper in gefährliche Höhen steigen kann. Die Folgen sind vielfältig: Schwindel und daraus resultierend Stürze, die zu Knochenbrüchen führen können, kognitive Einschränkungen bis hin zum Delir, Herzrhythmusstörungen, Magen- und andere Geschwüre sowie Verstopfung.

Gesucht werden auch Studienteilnehmer in München und Umgebung

Für die Studie arbeiten die LMU, die Universität Witten-Herdecke und die Universität Bielefeld zusammen. Insgesamt sollen rund 320 Patienten begutachtet werden. Für München und Umgebung werden etwa 20 Ärzte und Apotheker gesucht, jede Praxis kann zwischen sechs und 15 Patienten in die Studie einbringen. Jeder Patient bekommt einen Termin in seiner Apotheke, bei der seine Medikation aufgenommen und analysiert wird - auch solche, die nicht vom Arzt verordnet und frei erworben wurde.

Wie bei jeder vernünftigen wissenschaftlichen Studie gibt es eine Interventions- und eine Kontrollgruppe: In der Interventionsgruppe treffen sich Arzt und Apotheker zu einer Fachkonferenz, in der sie die Medikamentenliste der jeweiligen Patienten besprechen und zu gemeinsamen Entscheidungen kommen. In der Kontrollgruppe, so heißt es in der Studien-Ausschreibung, "kooperieren Apotheken mit Hausarztpraxen im Rahmen der Routineversorgung". Nun hat die Zeit der Teilnehmer-Suche begonnen.

Interessierte können sich an die Emailadresse projekt-partner@med.uni-muenchen wenden und unter www.partner-studie.de weitere Informationen erhalten.

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