Süddeutsche Zeitung

Tierhaltung und Forschung:Inakzeptable Praxis an der LMU

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In Deutschland wird derzeit erst über ein Verbot von Kastenhaltung bei Tieren diskutiert. Dass Landwirte bis dahin an der Methode festhalten, muss man hinnehmen. Dass aber ein universitärer Betrieb genauso verfährt, ist nicht akzeptabel.

Kommentar von Martina Scherf

Es ist schwer nachzuvollziehen, wie ein Mensch vor so einem Tier im Käfig stehen und kein Mitleid empfinden kann. Man muss keine Vegetarierin sein und kein Öko-Fanatiker, um zu dem Urteil zu kommen: Mutterschweine wochenlang in einen Gitterkasten zu sperren, in dem sie sich nicht umdrehen, nicht hinlegen und nicht bewegen können, ist unethisch. Eine Qual. Und ob solcherart gehaltene Tiere gutes Fleisch geben, ist fraglich. Selbst die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sieht Handlungsbedarf und kommt zu dem Ergebnis, dass im Kastenstand gehaltene Sauen "einem erhöhten Risiko für Erkrankungen des Atmungs-, Verdauungs- und Bewegungsapparates und für Verhaltensstörungen ausgesetzt sind."

In vielen Ländern ist Kastenhaltung verboten. In Deutschland, dem drittgrößten Schweinefleischerzeuger weltweit nach China und den USA, wird darüber noch diskutiert. Solange muss man hinnehmen, dass Landwirte, die auf immer größere Ställe und immer mehr Masse gesetzt haben, an solchen Methoden festhalten. Dass aber ein universitärer Betrieb genauso verfährt, ist nicht akzeptabel. Es fließt sehr viel staatliches Geld in die Spitzenforschung, in Gentechnik und Mikrobiologie, doch Tiere haben dort keine Lobby. Es wäre aber Aufgabe der Fakultät, sich auch für deren Wohl einzusetzen.

Wie sollen Studenten damit umgehen, dass sie in Vorlesungen von modernen Haltungsmethoden hören und dann im Praktikum Bedingungen vorfinden, die selbst auf höchster politischer Ebene als dringend reformierbar gelten? Wie sollen sie später als Tierärzte handeln? Einfach weiter so? Augen zu und durch?

Es ist längst ein gesellschaftlicher Diskurs im Gang über umweltverträgliche Landwirtschaft und mehr Tierwohl. Noch wollen die meisten Verbraucher billige Schnitzel, doch die Zahl derer, die sensibel auf Umweltfragen reagieren, steigt. Tierärzte sollten hier Vermittler sein, statt Scheuklappen aufzusetzen und sich den Bedingungen einer ausschließlich profitorientierten Massentierhaltung zu beugen.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2019
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