Süddeutsche Zeitung

LMU-Affäre:Kritik am Umgang mit Kreditkarten

Der Oberste Rechnungshof moniert, dass Mitarbeiter der Ludwig-Maximilians-Universität private Kosten erst mit dienstlichen Karten bezahlt und später erstattet haben. Präsident und Ministerium weisen die Vorwürfe zurück.

Von Sebastian Krass

Neben übermäßigen Ausgaben für Dienstreisen, Taxifahrten und Restaurantbesuche an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) kritisiert der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) nun auch eine aus seiner Sicht unzulässige Kreditkartennutzung für private Zwecke an der Uni. Eine Sprecherin der Prüfungsbehörde bestätigt auf Anfrage entsprechende SZ-Informationen: "Nach den geltenden Regeln darf eine dienstliche Kreditkarte nur zu dienstlichen Zwecken verwendet werden. Private Aufwendungen gehören nicht dazu." Man habe Fälle von Erstattungen gefunden, bei denen in den Belegen "private Anteile offengelegt waren". Namen nennt der ORH nicht. Das Prüfungsverfahren sei auch nicht abgeschlossen.

Die Vorwürfe betreffen nach SZ-Informationen offenbar den LMU-Präsidenten Bernd Huber, der auf Anfrage über seine Sprecherin bestätigt, er habe über mehrere Jahre hinweg Auslagen seiner Ehefrau während dienstlicher Anlässe mit der LMU-Kreditkarte beglichen. Er betont, er habe die Kosten stets erstattet, und zwar "ohne Aufforderung von anderer Seite". Es habe sich um "zwei-, bzw. kleine dreistellige, in Ausnahmefällen kleine vierstellige Beträge pro Jahr" gehandelt. Einen Verdacht, Huber habe die Karte zum persönlichen finanziellen Vorteil genutzt, gibt es nicht. Es ist offen, bei wie vielen LMU-Mitgliedern der ORH Anstoß am Gebrauch der Kreditkarte genommen hat.

Das bayerische Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde bestätigt die Darstellung der LMU. Zudem erklären beide Institutionen wortgleich: "Soweit Auslagen der Ehefrau bei Hotelübernachtungen oder Essen mit der dienstlichen Kreditkarte bezahlt werden mussten, vermerkte der Präsident stets auf den Belegen, bzw. bei der Abrechnung, dass der entsprechende Betrag von ihm privat erstattet wird." Auf die Nachfrage, warum die Auslagen mit der LMU-Karte bezahlt werden "mussten", antwortet Hubers Sprecherin: In den Lokalen und Hotels habe man die Rechnung nicht aufteilen können. Der Präsident habe stets die Hälfte der Zimmerkosten privat gezahlt. Eine Sprecherin von Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) erklärt, Hubers Praxis sei "nach Auffassung des Ministeriums keine missbräuchliche Verwendung der dienstlichen Kreditkarte".

Der ORH ist auf das Thema Kreditkarten schon von Herbst 2017 an bei einer Prüfung des Reisekostenwesens an der LMU gestoßen. Dieses Verfahren mündete im August 2018 in eine sogenannte "Prüfungsmitteilung", eine Art Ermittlungsbericht an das Wissenschaftsministerium. Darin monierte der ORH jeweils fünfstellige Ausgaben für dienstliche Mittagessen, Taxifahrten von der LMU nach Hause ebenso wie für Dienstreisen nach Venedig und die Verabschiedung eines Dekans. Im Sommer 2020 machte der ORH diese Vorwürfe öffentlich. LMU-Präsident Huber widersprach und ließ erklären, von Verschwendung könne "keine Rede sein", die Uni gehe "sorgsam mit öffentlichen Geldern um". Inzwischen spricht auch das Ministerium, von "fehlerhaften Mittelverwendungen". Es hat die Landesanwaltschaft gebeten zu prüfen, ob es Anlass für ein Disziplinarverfahren gegen LMU-Mitglieder gibt.

In der ORH-Mitteilung von 2018 kam auch die offenbar kaum geregelte Nutzung von Kreditkarten an der LMU vor. Auf diese Hinweise hin, erklärt die Ministeriumssprecherin, habe die LMU erstmals eine Richtlinie zum Umgang mit Kreditkarten erlassen. Der ORH gibt noch weitere Auskünfte des Ministeriums zur LMU wieder: Es gebe nun eine Revision, und die "Notwendigkeit der ausgegebenen Kreditkarten" sei überprüft worden, offenbar mit dem Ergebnis, dass sie notwendig sind. Jedenfalls hat sich nach Auskunft der LMU-Sprecherin die Zahl von mehr als 60 Karten "in der Zwischenzeit kaum verändert".

In diesem Jahr hat der ORH eine zweite Prüfung an der LMU wieder aufgenommen, mit Fokus auf die Kreditkarten. Bei dieser "vertieften Prüfung", so die Sprecherin der Kontrollbehörde, habe man "die Verwendung von zwei dienstlichen Kreditkarten näher geprüft und zu 27 weiteren dienstlichen Kreditkarten einige allgemeine Anmerkungen gegeben". Beträge von auffälligen Umsätzen nennt der ORH nicht. Aber die Sprecherin erklärt: "Die bei den Prüfungen festgestellten Sachverhalte weisen nach bisheriger Auffassung des ORH darauf hin, dass (...) es zu haushaltsrechtlich teilweise unzulässigen Ausgaben gekommen ist." Den Ablauf der Erstattungen fanden die Prüfer fragwürdig: Die LMU habe die Beträge "teilweise in einer Gesamtsumme zurückgefordert, teilweise auch mit späteren Reisekostenabrechnungen verrechnet. Die Rückforderungen betrafen zum Teil Sachverhalte, die fast ein Jahr zurücklagen."

Die Ergebnisse der zweiten Prüfung hat der ORH Anfang der vergangenen Woche dem Ministerium in Form von "Feststellungen" mitgeteilt, die anders als die große Form der "Prüfungsmitteilung" keine rechtlichen Bewertungen und keine Empfehlungen enthalten. Nun hat das Ministerium die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Dessen Sprecherin erklärt, man habe am Freitag der LMU "auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse mitgeteilt, wie hinsichtlich der geprüften Sachverhalte künftig zu verfahren ist". Die Umsetzung werde man "zeitnah" erörtern.

Auf die Frage, wie es andere Hochschulen mit Kreditkarten halten, antwortet die Sprecherin von Minister Sibler, das sei Sache der Hochschulen. "Uns sind keine missbräuchlichen Verwendungen von dienstlichen Kreditkarten bekannt." Überdies gehe man "selbstverständlich davon aus, dass die entsprechenden Behörden wirksame Prüfmechanismen etabliert haben".

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Quelle:
SZ vom 28.10.2020/infu
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