Studierenden-Kundgebung:Pro-Palästina-Aktivisten errichten Protestcamp vor der LMU

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Propalästinensische Fahnen vor der LMU: Bis Donnerstag wollen die Demonstranten gegenüber dem Haupteingang ihr Camp aufschlagen. (Foto: Florian Peljak)

Das Verwaltungsgericht kassiert am Abend eine Entscheidung der Stadt München. Diese hatte das Zeltlager unter Hinweis auf die Sicherheit der Studierenden verboten. Die Demonstranten wollen bis Donnerstag bleiben.

Von Martin Bernstein und Katharina Haase

Propalästinensische Aktivistinnen und Aktivisten haben am Montagabend ein Camp gegenüber dem Haupteingang der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) errichtet. Die Zelte sollen bis Donnerstag stehen. Die Stadt hatte am Nachmittag einen Ausweichplatz an den Propyläen angeordnet.

Etwa hundert Menschen versammelten sich dennoch vor der Universität. Die Polizei verhinderte mit ebenso vielen Beamtinnen und Beamten zunächst, dass sich eine Kundgebung formieren konnte. Gegen 20 Uhr traf dann eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts ein, das von den Organisatoren angerufen worden war.

Am Freitagabend hatte die Münchner Polizei noch mit einem Großaufgebot verhindert, dass vor der LMU ein solches Camp entstehen konnte. Drei Tage später versuchten es die propalästinensischen Gruppen erneut, diesmal mit einer Anmeldung beim Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) - und mit einem Standort auf der anderen Straßenseite, dem Professor-Huber-Platz. "Wir sind zurück und brauchen eure Verstärkung", schrieb die Gruppierung "Palästina spricht" in der Nacht zum Montag auf Instagram.

Am späten Nachmittag ordnete das KVR die Verlegung des geplanten Protestcamps auf den Platz westlich vor den Propyläen an, Luftlinie etwa einen Kilometer von der Uni entfernt. Man habe sich dazu eng mit der Münchner Polizei abgestimmt. Als Grund für die Verlegung führte die Stadt die lange Dauer des Protestcamps in unmittelbarer Nähe zu den Räumlichkeiten der LMU an. "Nachhaltige und massive Störungen des wissenschaftlichen Betriebs, insbesondere der Studierenden" seien zu befürchten.

Das Bündnis "München ist bunt" rief derweil zum Gegenprotest auf. Unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt!" fand eine Mahnwache gegen Antisemitismus auf dem Geschwister-Scholl-Platz statt, an der unter anderem SPD-Stadträtin Micky Wenngatz, der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), und Michael Movchin vom Verband jüdischer Studierender in Bayern teilnehmen. Bereits im Februar hatte der Verband mehr Schutz vor den antisemitischen Tendenzen gefordert, die bei den propalästinensischen Protesten zu erkennen seien.

Während vor dem LMU-Haupteingang israelische Fahnen wehten, verhinderte die Polizei zunächst, dass sich gegenüber auf dem Professor-Huber-Platz eine antiisraelische Kundgebung formieren konnte. Mehr als zwei Stunden zog sich dieses Patt hin, ehe die Entscheidung des Gerichts bekannt wurde. Nach ersten Angaben der Polizei dürfen die Zelte für bis zu hundert Teilnehmer bis Donnerstag stehen bleiben.

Am Freitag hatten die etwa 70 Demonstranten unter anderem gefordert, die LMU müsse ihre Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten einstellen. Über das Erasmus-Programm ist die LMU mit vier Hochschulen in Israel verbunden. Die Münchner Universität bekundet auf ihrer Homepage jedoch "ihren Partnerinstitutionen in Israel und den israelischen und jüdischen Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weiterhin ihre Solidarität und stellt sich klar gegen jede Form von Antisemitismus wie auch jegliche Diskriminierung".

Personelle Nähe zur linksextremen trotzkistischen Gruppierung "Klasse gegen Klasse"

In der vergangenen Woche hatte ein öffentlicher Brief von Lehrkräften verschiedener Berliner Hochschulen für Aufregung gesorgt, in dem sich die rund 100 Erstunterschreibenden hinter die propalästinensischen Demonstranten stellten. Dem Schreiben vorangegangen war die unangekündigte Räumung des propalästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin. Die Hochschulen seien verpflichtet, die Studierenden "auf Augenhöhe zu begleiten" und sie "in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern", heißt es in dem Brief. Stattdessen sollten die Hochschulen den Dialog mit den protestierenden Studierenden suchen. Nur dann, so heißt es weiter, könnten Lehrende und Universitäten ihrem Auftrag gerecht werden.

Unter den mittlerweile rund 1300 Personen, die den Brief unterschrieben haben, finden sich auch 14 Lehrende an Münchner Hochschulen, davon neun an der LMU, drei an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg und jeweils eine an der Hochschule für Philosophie und der Hochschule München.

Die Organisatoren der Münchner Protestcamps hatten bereits vergangene Woche Sicherheitsrichtlinien für die Demonstranten veröffentlicht. Darin werden die Teilnehmer aufgefordert, möglichst nicht mit der Presse zu reden, sondern das den offiziellen Sprechern zu überlassen. "Finden wir uns als Studierende, Azubis und Arbeitende zusammen, um Solidarität mit Rafah zu zeigen", heißt es in dem aktuellen Aufruf.

Der Verweis auf die Arbeiterschaft ist kein Zufall. Die Gründung des Münchner "Unikomitees für Palästina" erfolgte maßgeblich aus den Reihen der trotzkistischen Gruppierung "Klasse gegen Klasse / Waffen der Kritik", die vom Verfassungsschutz als linksextrem und israelfeindlich eingestuft wird. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung der Gruppierung heißt es: "Die Studierendenbewegung bildet in den imperialistischen Zentren aktuell eine Avantgarde des Protests." Camps, Besetzungen und Blockaden werden als Mittel dieses Protests genannt.

Laut LMU gehört keine der zu den Protesten aufrufenden Gruppierungen zur Universität

Die Leitung der LMU, heißt es in der Erklärung weiter, konstruiere "ein rassistisches Feindbild" gegen Palästinenserinnen und Palästinenser. Es sei wichtig, "dass wir uns von der Polizei nicht einschüchtern lassen". Eine studentische Vollversammlung an der LMU am Dienstag will "Klasse gegen Klasse" in ihrem Sinne nutzen, um "der Bewegung gleichzeitig eine größere Legitimität verschaffen". Man wolle über die "offiziellen" Organe der Studierendenschaft die nötigen Mittel und die Präsenz erhalten, in jedem Winkel der Münchner Unis zu Versammlungen und Aktionen aufzurufen, heißt es dort.

Zu den geplanten Protesten am Montag und Dienstag gab es von der LMU, wie auch am Freitag, kein weiteres Statement. Auf Nachfrage verwies eine Sprecherin lediglich erneut auf die Stellungnahme, die seit dem 3. Mai auf der Homepage der LMU zu finden ist. Dort heißt es auch, dass keine der zu den Protesten aufrufenden Gruppierungen zur LMU gehöre und man sich gegen die Forderungen, die im Rahmen der Proteste erhoben werden, verwahre.

Auch von der Technischen Universität (TUM), hieß es lediglich, man werde sich zu der Angelegenheit nicht äußern. Die TUM hatte als erste Münchner Hochschule bereits am Tag nach dem Terrorangriff der Hamas auf ihrer Website Solidarität mit ihren israelischen Partner-Hochschulen und -Forschungseinrichtungen bekundet und sich klar gegen antisemitische und antiisraelische Attacken und Proteste positioniert.

Fast gleichzeitig mit dem Protestcamp fand am Montagabend eine LMU-Veranstaltung zum Thema "Die deutsche 'Erinnerungskultur' und ihre Feinde" mit Norbert Frei, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, statt. Seit ein paar Jahren gebe es Angriffe gegen die Ethik des Erinnerns, hieß es in der Ankündigung: "Zunächst vor allem von der Rechten, inzwischen aber auch von postkolonialer Seite." Zu Störungen des Vortrags kam es nicht.

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