Protestcamp vor der LMU:Teilnehmer am Pro-Palästina-Camp in München leugnen das Existenzrecht Israels

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Blutige Hände: Israelfeindliches Plakat auf dem Pro-Palästina-Camp vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. (Foto: Leonhard Simon)

Das Zeltlager vor der Münchner Universität soll bis 6. Juni stehen bleiben. Gruppierungen, die die Proteste unterstützen, machen keinen Hehl aus ihrer israelfeindlichen Haltung.

Von Martin Bernstein, Katharina Haase

„Wir bleiben so lange, bis unsere Forderungen erfüllt sind!“ Die Organisatoren des pro-palästinensischen Protestcamps vor der Münchner Universität wollen ihre Zelte offenbar nicht so schnell abbrechen. Nachdem das Zeltlager von zwei Verwaltungsgerichten am Montag und Dienstag vergangener Woche gegen den Willen von Stadt und Universität genehmigt worden war, war zunächst von vier Tagen Dauer die Rede gewesen. Am Freitag bestätigte das Münchner Kreisverwaltungsreferat, dass das Zeltlager laut der Protestierenden bis zum 6. Juni stehen solle. Ob dies, aufgrund anderer bereits länger geplanter Veranstaltungen auf dem Professor-Huber-Platz in diesem Zeitraum möglich sein wird, ist bislang unklar.

Zu den Auflagen, die eine der Organisatorinnen zum Start des Camps verlas, gehört: „Das Existenzrecht Israels darf nicht geleugnet werden.“ Eine Selbstverständlichkeit, an die sich die Zeltbewohner scheinbar halten, auch wenn auf Fahnen Israel als Apartheid-Staat bezeichnet wird. Die Gruppierungen, die hinter dem Protest an der Uni stecken oder sie unterstützen, machen allerdings im Internet und in sozialen Netzwerken keinen Hehl aus ihrer israelfeindlichen Überzeugung.

Es geht vor allem um die vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem und israelfeindlich eingestufte trotzkistische Splittergruppe „Waffen der Kritik / Klasse gegen Klasse“ und um den Münchner Ableger der Gruppierung „Palästina spricht“.

Wie genau diese Organisationen mit dem Camp verbandelt sind und wie groß ihr Einfluss ist, hat die Süddeutsche Zeitung am Freitag die autorisierten Sprecher des Camps schriftlich gefragt. Doch die Reaktionen der Camp-Leitung legen den Eindruck nahe, dass man den umfangreichen Fragenkatalog nicht so gerne beantworten möchte. Am Pfingstmontag erst die Entschuldigung, dass alles so lange dauere, verbunden mit der Zusage, dass Antworten noch am Abend kämen. Wenig später der Verweis auf die Vielzahl der Anfragen, weswegen man alle zusammen in einer Pressemitteilung am Dienstagmorgen beantworten wolle. Und schließlich dann die Aussage, es sei noch unklar, ob das mit den Antworten an die Presse überhaupt noch etwas werde.

Ohnehin werde man nun nicht mehr so viele Interviews geben

Am Dienstagmittag sind nur wenige Menschen im Camp zu sehen. Auf die Frage, ob man mit dem offiziellen Camp-Sprecher reden könne, um vielleicht doch noch Antworten auf einige der Fragen zu erhalten, folgen ratlose Blicke – und Schweigen. Denn das Reden mit der Presse – so wurde schon zu Beginn des Camps klargestellt – solle man nur ausgewählten Personen überlassen. Schließlich löst sich eine junge Frau, die sich nur als Naomi vorstellt und auch zum Organisations-Team gehört, aus der Gruppe. Der Haupt-Pressesprecher sei gerade nicht da, sagt sie. Und ohnehin werde man nun nicht mehr so viele Interviews geben.

Worum geht es? Vor allem um die Vielzahl von Aussagen aus dem direkten Umfeld der Camp-Organisatoren, in denen das Existenzrecht des jüdischen Staates infrage gestellt und in einigen Texten auch offen negiert wird. „Klasse gegen Klasse“ war treibende Kraft bei der Gründung des „Unikomitees München für Palästina“ und damit auch beim Zustandekommens des Protestcamps. Auf der Homepage der linksextremen Gruppe ist in einem aktuellen Text zu Palästina zu lesen: „Wir stellen uns aktiv gegen scheinheilige Zwei-Staaten-Lösungen auf kapitalistischer Grundlage, sondern treten für eine Niederwerfung des israelischen Kolonialregimes durch den Kampf des palästinensischen Volkes und der internationalen Arbeiter:innenklasse, vor allem die der Region, ein.“

Ziel sei „ein laizistisches, multiethnisches und sozialistisches Palästina auf dem gesamten historischen Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer..., in dem Jüd:innen, Araber:innen und Menschen anderer Ethnizitäten und Religionen friedlich und geschwisterlich zusammen leben.“ Für einen jüdischen Staat Israel ist in einer solchen Neuordnung kein Platz.

Einer der Redakteure von „Klasse gegen Klasse“ ist Kilian Gremminger, 25, nach eigenen Angaben Student der Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, aktiv in der Gewerkschaft GEW und Mitglied bei Waffen der Kritik. Gremminger war bereits am ersten Camp-Tag zum Hauptsprecher des Camps ernannt worden, hatte bereitwillig Interviews angeboten und schließlich sogar eine Pressekonferenz einberufen. Die Aufmerksamkeit durch die Medien sei essenziell, sagte er im Gespräch mit der SZ.

In einem weiteren Text wird seine Gruppierung noch deutlicher: „Das Existenzrecht Israels sollte (…) nicht nur diskutiert werden 'dürfen', es muss konsequent in seiner jetzigen Form abgelehnt werden.“ In einem BR-Beitrag wird Gremminger mit dem Satz zitiert: „Die Diskussion um das Existenzrecht Israels haben wir (alle Camp-Teilnehmer Anm. d. Red.) noch nicht geführt. Da ich für das ganze Protestcamp stehe, kann ich dazu nichts sagen.“ Wie die Organisatoren des Protestcamps vor diesem Hintergrund die Einhaltung ihrer Auflagen garantieren wollen – auch eine Antwort auf diese Frage blieben sie bisher schuldig.

„Wir erkennen nur das Recht der Unterdrückten an.“

Massiv unterstützt wird das Camp augenscheinlich auch vom Münchner Ableger von „Palästina spricht“. Vor dem „Nakba-Marsch“ am Samstag postete die Gruppierung eine historische Betrachtung, in der Israel als „zionistische Entität“ bezeichnet wird, deren Staatsgründung „nicht legitim“ gewesen sei. Die Verantwortlichen des Protestcamps setzten unter den Instagram-Beitrag ein „Gefällt mir“.

Auf der Kundgebung am Marienplatz sagte eine Sprecherin trotz ähnlicher Auflagen wie für das Protestcamp: „Wir erkennen kein Existenzrecht an, wenn es Vertreibung und Unterdrückung bedeutet. Wir erkennen nur das Recht der Unterdrückten an.“ Teilnehmer der Kundgebung – unter ihnen nach eigenen Angaben zahlreiche Teilnehmer des Zeltlagers – zogen „kämpferisch“ am Samstagabend zum Professor-Huber-Platz, auf dem sie mit Jubel empfangen wurden.

Danach lehnt an einem der Zelte ein Plakat, auf dem die israelische Flagge zusammen mit dem Wort „War Criminals“ zu sehen ist. Daneben zwei rote Handabdrücke, die als Vorwurf an die Adresse Israels ebenso gelesen werden können wie als Aufruf zum Mord an Israelis. Eine blutverschmierte Babypuppe mit Palästina-Fahne ist an das Plakat geheftet. Und darunter hat jemand geschrieben: „Fck Israel“.

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