Süddeutsche Zeitung

Eröffnung der neuen LMU-Klinik:Lieblingsplatz? "Der Schockraum"

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Die Wege im neuen Medizinkomplex in der Innenstadt sind kurz: Die Fachbereiche liegen nicht mehr über ein weites Areal verstreut - ein Vorteil nicht nur im Notfall.

Von Ekaterina Kel, München

Ein Notfall, jede Sekunde zählt. Da kann es schon ein Hindernis sein, dass man den Patienten erst mit dem Aufzug in den zweiten Stock fahren muss. Oder gleich wieder runter, weil er eine Computertomografie (CT) braucht, um die Verletzungen zu erkennen. Aber das wird schon bald nicht mehr nötig sein. Kommende Woche zieht die Notfallmedizin des LMU-Klinikums, und mit ihr insgesamt zwölf Fachdisziplinen, in das neue Gebäude des Innenstadtklinikums. Bei der feierlichen Eröffnung des Medizinkomplexes an der Ziemssenstraße an diesem Dienstag war immer wieder von einem "Meilenstein" die Rede.

Im neuen Gebäude ist alles nah beieinander. Der Notfall kann dann direkt aus der Einfahrt in den Schockraum gebracht werden, ein Weg von wenigen Sekunden. Der CT-Raum ist direkt dahinter. Und wenn man eine Bluttransfusion benötigt, steht im Nebenraum ein Kühlschrank mit Konserven der Blutgruppe 0 Rhesus negativ, die für alle Patienten passt.

"Das ist hier mein Lieblingsplatz", sagt Viktoria Bogner-Flatz. Die geschäftsführende Oberärztin der zentralen Notaufnahme steht im Eingang des Schockraums und breitet die Arme aus. Es sei das Herzstück des neuen LMU-Klinikums Innenstadt. Hier werde die schwer verletzte Patientin stabilisiert und wenn nötig intubiert, hier arbeiten Seite an Seite Anästhesisten, Chirurgen und Innere Mediziner, genauso Pfleger der jeweiligen Fächer. Hier funktioniert es nur interdisziplinär.

Das ist auch das wesentliche Merkmal des neuen Baus: Die Fachbereiche liegen nicht mehr zerstreut über das ganze Areal zwischen Goetheplatz und Sendlinger Tor, zwischen Maistraße im Süden und Pettenkoferstraße im Norden, sondern buchstäblich unter einem Dach. Ein großer Vorteil für die Patientin: Wird ein Kollege von einer anderen Disziplin benötigt, kann er sehr viel schneller da sein als bisher. Und kein Patient muss mehr umständlich von Klinik zu Klinik verlegt werden. Auch spart man sich an mancher Stelle Kosten: Große, teure Geräte können von mehreren Disziplinen genutzt werden. Jährlich sollen hier 70 000 Patienten ambulant und 15 000 stationär behandelt werden.

Die ambulante Notaufnahme ist ebenfalls nach diesem Prinzip aufgebaut. Wer hierher in die weiß-grün gestrichenen Korridore kommt, gerät als erstes an eine interne Leitstelle, dort wird der Patient ans richtige Fach weiterverwiesen. "Hier findet dann die Triage statt", sagt Bogner-Flatz und löst damit bei allen anwesenden Nicht-Medizinern Alarmglocken aus. Sie erklärt dann gleich auch: Das Wort Triage habe mit der medialen Aufmerksamkeit rund um Corona einen negativen Kontext bekommen, damals sei es um die Frage "Behandeln oder nicht behandeln?" gegangen. In der Notfallmedizin sei der Begriff aber alltäglich. Es gehe einfach darum, die Patienten nach der medizinischen Notwendigkeit einzustufen, damit keiner, der sofortige Hilfe benötigt, entgeht.

Auf den großen Umzug hat man sich ausgiebig vorbereitet. Fast das ganze vergangene Jahr habe man für Übungen und Simulationen im neuen Bau genutzt, erzählt Wolfgang Böcker, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie, der sich dem Rundgang angeschlossen hat. Es sei sehr wichtig, dass die Arbeitsabläufe in den neuen Wänden von Anfang an möglichst reibungslos funktionieren. Am 22. Juni sollen Chirurgie und Innere Medizin rüber.

Ministerpräsident Söder: "Nummer eins in Deutschland"

Die Geburtshilfe und die Neonatologie aus der Maistraße haben bereits an diesem Dienstag den Anfang gemacht. Während Böcker erzählt, schieben zwei Sanitäter einen Inkubator mit dutzenden Schläuchen den Flur entlang, darin ein Frühchen. Es sei eines von insgesamt dreien, die diesen Umzug am heutigen Tag meistern müssten, sagt Bogner-Flatz. Dass der Inkubator keine Viertelstunde später schon wieder leer an einem vorbeirollt, sei ein gutes Zeichen, so die Notfallmedizinerin. "Das heißt, dass es stabil ist."

Die Arbeit über die Fachgrenzen hinweg sei der beste Weg für eine optimale Versorgung, sagte der Ärztliche Direktor Markus Lerch. Sein Vorgänger, Karl-Walter Jauch, hatte das Bauvorhaben von 2015 an begleitet und war ebenfalls von dem Ergebnis angetan. "Es muss sich vieles ändern, damit es weiter so gut bleibt, wie es ist", schickte er seinen ehemaligen Mitarbeitern auf den Weg.

Von den insgesamt mehr als 112 Millionen Euro steuerte der Freistaat mehr als 30 bei. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich zufrieden: Die neue Portalklinik stehe für den "Spitzenruf" des Universitätsklinikums in Medizin und Forschung. Mit 200 Betten mitten in der Stadt stärke man zudem den Standort München und Bayern. "Man muss nicht in Berlin sein, um die Nummer eins in Deutschland zu sein," so Söder.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2021
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