Süddeutsche Zeitung

Digitale Lehre:Die Tür zur Vorlesung bleibt zu

Viele LMU-Studierende warten drei Wochen nach Semesterbeginn immer noch auf ihre Kennung. Ohne diese können sie aber nicht auf die benötigten Lernplattformen zugreifen.

Von Sabine Buchwald

Eine Kombination aus Ziffern und Buchstaben öffnet die Türen zum Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Diese 16-stellige-Kennung erreicht die Studierenden normalerweise in Verbindung mit der Immatrikulationsbestätigung. Viele von ihnen aber haben die Kennung erst verspätet oder noch nicht bekommen. Betroffen davon sind Studierende, die sich neu an der Münchner Universität eingeschrieben haben. Wer sich nicht als Studierender identifizieren kann, hat bei Behörden Schwierigkeiten und bekommt keine Monatskarte für Bus und Bahn. Das ist zu jeder Zeit ein unguter Zustand. In Corona-Zeiten, in denen es kaum Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen gibt, wird die Lage aber noch komplizierter. Denn ohne LMU-Identifikation kann man weder an Online-Vorlesungen teilnehmen noch sich Scripts und Übungsblätter von Lernplattformen herunterladen.

Es habe es eine Flut an Leuten gegeben, die am Anfang des Semesters keine LMU-Kennung hatten, erzählt Jakob Brenner, aktives Mitglied der Fachschaft Physik. Nicht nur in seiner Fakultät sind Anfragen von verzweifelten Kommilitonen eingelaufen. Brenner studiert schon eine Weile an der LMU, kann sich aber gut in die Lage der Neulinge hineinversetzen. Besonders die Erstsemester tun ihm leid. Er sagt: "Sie sind ohnehin oft verunsichert, weil sie so viel selbst organisieren müssen. Und dann stellen sie fest, dass sie gar nichts organisieren können." Denn diese Kennung benötige man für alles.

Laut LMU seien von den 13 500 neu immatrikulierten Studierenden zehn Prozent zu Semesterbeginn betroffen gewesen. Grund für die Verzögerungen sei, dass man sich seit zwei Jahren nur noch per Brief oder online einschreiben könne. Zudem habe man dieses Mal statt zwölf Wochen nur neun Zeit für die Einschreibung gehabt. Dass es im Einzelfall eine schwierige Situation gewesen sei, müsse man anerkennen, erklärt Vizepräsident Oliver Jahraus.

Rintaro Kanaki ist einer der Leidtragenden. Er ist erst vor einigen Wochen nach München gezogen, um hier seinen Master in Astrophysik zu machen. Zuvor hatte er in Bayreuth studiert. Er habe alle Unterlagen rechtzeitig eingereicht, erzählt der Japaner. Als das Semester am 2. November begann, sei er ohne Zugangsmöglichkeit zur Onlinelehre dagestanden. Beunruhigt hatte er sich schon eine Woche vor Semesterstart bei der Studentenkanzlei erkundigen wollen, wann er denn seine Campus-Kennung bekäme. Die Studentenkanzlei ist der zentrale Ort für alle administrativen Angelegenheiten. Persönlich darf man derzeit dort nicht anklopfen. Am Telefon habe er nie jemanden erreicht, sagt Kanaki. "Ich finde, das ist sehr unfair, wenn man die ersten Vorlesungen verpasst." Eine Bekannte habe bis heute keine Kennung, wolle sich aber nicht beschweren, weil sie befürchte, dass sie sonst nie eine bekomme.

Es dauerte eine Weile, bis das Problem bei Professoren und Dozenten angekommen war. Wenn sie für die Studierenden einen Gastzugang beantragen, können diese an ihren Veranstaltungen teilnehmen. Das sei eine Notlösung, die sehr viel Zeit in Anspruch nehme, sagt ein Professor, der namentlich nicht genannt werden möchte. Eigentlich verfüge keine Fakultät über genügend Arbeitskraft, um das leisten zu können. Oliver Jahraus, auf das Problem angesprochen, erwidert: "Das Corona-Semester erfordert von allen sehr viel Arbeit und Flexibilität." Man plane nicht, das Verfahren im nächsten Jahr umzustellen. Man wolle keine Experimente unter Pandemiebedingungen.

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SZ vom 24.11.2020/syn/van
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