Dem Himmel nah – so fühlt sich Amelia Earhart am wohlsten. Wenn sie in ein Flugzeug steigen und abheben kann. Wenn sie alle Einschränkungen hinter sich lässt, die für Frauen Anfang des vergangenen Jahrhunderts vorgesehen sind. Wenn sie sich grenzenlos frei fühlt.
Der Schriftsteller und Hanser-Verleger Jo Lendle hat über die Flugpionierin (1897–1937) einen Roman geschrieben. „Die Himmelsrichtungen“ erzählt die bemerkenswerte Entwicklung dieser Frau, der schon als Kind bewusst wurde, dass sie anders ist als andere. Ungewöhnlich ist auch die stimmige Form, die Lendle dafür gewählt hat: Er erzählt Earharts Biografie nicht chronologisch, sondern rückwärts. Vom Ende zum Anfang, den Blick stets gen Himmel gewandt, und in verschiedene Richtungen.
Am 23. September stellt Lendle seinen Roman im Literaturhaus vor. Es ist in den kommenden September- und ersten Oktoberwochen einer von vielen Literatur-Abenden, hinter denen man als Antrieb einen Aufbruch ins Neue, Unbekannte erkennen kann.
In der Reihe „Erde, Feuer, Wasser, Luft“ der Kammerspiele zum Beispiel spricht der Schriftsteller Lukas Bärfuss mit der Meeresbiologin Antje Boetius über Ozeane – nicht nur angesichts des verheerenden Regens der letzten Zeit ein großes Thema (23.9.). Eine andere Reihe dort widmet sich neuen literarischen Formen: Die Künstlerin und Schriftstellerin Cemile Şahin stellt ihren Roman „Kommando Ajax“ vor (27.9.). Und auch wie sich die Schriftsteller Lena Gorelik, Uwe Timm und Jonas Lüscher dem komplexen Kosmos Kafka annähern, wird dort in einer Matinee besprochen (6.10.).
Unbekannt dürfte vielen auch das Genre „Lyrische Dokumentationen“ sein. Mehr dazu lässt sich im Lyrik Kabinett erfahren: Die Dichterin Cornelia Hülmbauer, mit Anja Utler eingeladen, hat sich Briefe ihrer Großmutter vorgenommen (25.9.). Aufbrüche ins Neue sind auch stets die „Münchner Reden zur Poesie“: Maria Stepanova erklärt am 9. Oktober, was „Im Innern eines Vokals“ passiert. Und bei einem Poetik-Salon der Monacensia werden Dagmar Leupold und Norbert Niemann mit Markus Ostermair darüber sprechen, wie aktuelle Literatur gesellschaftliche Realitäten spiegelt (19.9.).
Salon-Atmosphäre bietet auch das Café Luitpold: Hier führt der Autor Tobias Roth in die Welt der italienischen Renaissance ein (20.9.). Wer es heutiger und wilder mag, ist bei der grenzüberschreitenden Reihe „Lost in Music“ richtig: Neben anderen sind der Frauenchor Witches of Westend von Pola Dobler sowie ihr Schriftsteller-Vater Franz Dobler im Live/Evil des Fat Cat angekündigt (26.9.).
Wie ein Blick ins All hilft
Den Blick in verschiedene Richtungen zu lenken und offenzubleiben für unterschiedlichste Aspekte und Argumente, ist auch bei gärenden Themen von Antisemitismus bis Krieg wichtig. Eine kleine Auswahl aus einem großen Angebot: In den Kammerspielen stellen Meron Mendel und seine Frau Saba-Nur Cheema ihr Buch „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ vor (19.9.), und Michel Friedman spricht mit Igor Levit über Hass (29.9.). In der Israelitischen Kultusgemeinde kann man sich mit Autor Peter R. Neumann über Dschihadismus informieren (30.9.) und ein Jahr nach dem traumatischen 7. Oktober Stimmen aus Israel hören (8.10.).
Wie sich Antisemitismus und Rassismus in Deutschland äußern, macht Hasnain Kazim in „Deutschlandtour“ sichtbar (Lehmkuhl, 7.10.). Was Krieg in Gaza oder der Ukraine mit unserer Demokratie zu tun haben, wird Politiker Norbert Röttgen im Literaturhaus erläutern (25.9.). Und wie sich der Ukraine-Krieg im Alltag der Menschen auswirkt, erzählt Stephan Orth in „Couchsurfing in der Ukraine“ und einem Multimedia-Vortrag im Heppel & Ettlich (2.10.).
Bietet ein Blick gen Himmel derzeit also vorwiegend Gelegenheit, Stoßseufzer loszuwerden? Dass der Blick nach oben, ja ins All bei großem Kummer auch tröstlich sein kann, lässt sich in Karen Köhlers Kinderbuch „Himmelwärts“ erfahren (Motorama, 8.10.). In diesem Sinne: Kopf hoch!