Literatur:Lesen leicht gemacht

Literatur: Kristof Magnusson hat einen Text zur neuen Anthologie "LiES" beigetragen und stellt ihn im Literaturhaus München vor.

Kristof Magnusson hat einen Text zur neuen Anthologie "LiES" beigetragen und stellt ihn im Literaturhaus München vor.

(Foto: Andreas Hornoff)

Ein Abend im Literaturhaus München soll zeigen: Texte können vielschichtig, kunstvoll und trotzdem leicht verständlich sein.

Von Jürgen Moises

Deutsch ist eine leserfreundliche, zugängliche Sprache. Mit Thesen wie dieser hat Roland Kaehlbrandt in seinem Buch "Deutsch. Eine Liebeserklärung" und kürzlich auch in einem Artikel in dieser Zeitung überrascht. Zumindest wohl diejenigen, die an Deutsch als Amtssprache denken. Glaubt man Hauke Hückstädt, dann lassen sich diese Thesen noch erweitern. Deutsch kann auch einfach und zugleich vielseitig, vielschichtig, kurz: literarisch sein, sagt der Leiter des Frankfurter Literaturhauses. Als Beweis dafür hat er 2020 "LiES. Das Buch: Literatur in Einfacher Sprache" herausgebracht. Eine Sammlung mit Texten von namhaften Autoren und Autorinnen in Einfacher Sprache.

Seit Februar gibt es "LiES. Das zweite Buch". Am 21. März stellt Hauke Hückstädt es zusammen mit den Schriftstellern Elisa Diallo, Kristof Magnusson und Tonio Schachinger im Münchner Literaturhaus vor. Insgesamt zwölf Schriftsteller waren beteiligt. Beim ersten Buch waren es 13, darunter Nora Bossong, Judith Hermann und Arno Geiger. Der Anlass für "LiES"? Das war zunächst ein sozialer. Mehr als "20 Millionen Menschen in Deutschland können nicht gut lesen". Darauf weist Hückstädt in Interviews oft hin. Diese Zahl wird aber nicht belegt. Laut der Leo-Studio von 2018 gibt es 6,2 Millionen Erwachsene mit Lese-Rechtschreib-Schwäche. Jedenfalls gilt, so Hückstädt, für alle Betroffenen: Es gibt für sie "quasi kein literarisches Textangebot".

Deshalb will Hückstätt Bücher, die niemanden ausschließen. Deshalb die Einfache Sprache. Die ist als Hilfe für Menschen mit einer geringeren Lesefähigkeit gedacht, aber auch allgemein für eine breite Bevölkerung. Feste Regeln gibt es für Einfache Sprache nicht, dafür Empfehlungen wie kurze Sätze zu benutzen oder Texte klar zu gliedern. Anders bei der Leichten Sprache. Für die gibt es ein Regelwerk. Das wurde vom Netzwerk Leichte Sprache mit entwickelt. Auf Webseiten oder in Museen kann man sie inzwischen finden. An den Kammerspielen läuft derzeit die "Antigone" in Leichter Sprache.

Für "LiES" haben sich Hückstädt und die Autoren gemeinsam mit der Lektorin Eva Keller trotzdem zehn Regeln ausgedacht. Dazu gehören: einfache Wörter und Sätze, keine Zeitsprünge oder dass Sprachbilder erklärt werden müssen. Das Ergebnis sind tatsächlich gut lesbare und auch lesenswerte Texte. Manche haben gerade durch die Reduktion etwas Poetisches. Und Maruan Paschen hat sich im ersten Band direkt an einfachen Gedichten probiert. Dass es so ein Buch, wie Hückstädt sagt, "noch nicht gegeben" hat: Das muss man trotzdem etwas relativieren.

Literatur: Auch die Schriftstellerin Elisa Diallo ist im Literaturhaus dabei.

Auch die Schriftstellerin Elisa Diallo ist im Literaturhaus dabei.

(Foto: privat)

Denn es gibt Verlage, die seit Jahren Literatur in Einfacher Sprache veröffentlichen. Gut, oft sind das Übersetzungen. Aber bei der Edition Naundob oder im Passanten Verlag etwa gibt es gute Bücher, die direkt einfach geschrieben wurden. Deren Verfasser sind jedoch kaum bekannt. Und das ist dann doch ein Unterschied: dass sich bei "LiES" namhafte Autoren auf dieses Experiment einlassen. Und wenn das mehr Menschen zum Lesen verführt, ist das ohne Frage eine Bereicherung.

LiES! Literatur in Einfacher Sprache, Di., 21. März, 19 Uhr, Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, www.literaturhaus-muenchen.de

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