"Das Grundgesetz":Eine Flamme, die nicht ausgehen darf

"Das Grundgesetz": Hat fast vierzig Autorinnen und Autoren gebeten, sich Gedanken übers Grundgesetz zu machen: Georg M. Oswald.

Hat fast vierzig Autorinnen und Autoren gebeten, sich Gedanken übers Grundgesetz zu machen: Georg M. Oswald.

(Foto: Gerhard Leber/imago)

Können auch Nichtjuristen sich dem Grundgesetz auf intelligente Weise nähern? Ein Buch als "literarischer Kommentar" will es theoretisch beweisen - und ein Abend im Literaturhaus München praktisch umsetzen.

Von Antje Weber

Als Georg M. Oswald einst sein Jurastudium begann, stieß er auf eine ihm bisher unbekannte Spezies: die "Nichtjuristen". Damit bezeichnete man Menschen, die gerne mal etwas "glauben" oder "irrig vermuten", im Grunde aber keine Ahnung haben: "Die Angehörigen dieser Spezies schienen ein schweres Los zu tragen. Die eigentlichen Zusammenhänge des Lebens blieben ihnen fremd."

Oswald selbst ist zum Juristen, zum Eingeweihten gereift. Er ist im Laufe der Jahre aber auch Schriftsteller und Verleger geworden, derzeit arbeitet er als Lektor beim Münchner Hanser-Verlag. Als Herausgeber eines Buches bei C.H.Beck wiederum hat er kürzlich seine zwei Lebensthemen zusammengeführt: Für "Das Grundgesetz. Ein literarischer Kommentar" hat er Autorinnen und Autoren um Essays zu einzelnen Artikeln des Grundgesetzes gebeten, wie er im Vorwort erläutert. Subjektiv sollten die sein, gerne persönlich, und damit "Perspektivwechsel" ermöglichen. Alles vor dem Hintergrund der Frage: Ist es "für jemanden, der nicht Jura studiert hat, tatsächlich unmöglich, sich ein intelligentes und zutreffendes Bild von unseren Gesetzen zu machen"?

Juristen mögen zu anderen Antworten kommen, Nichtjuristinnen jedoch können angesichts der Fülle kluger Gedanken in diesem Buch zur vielleicht irrigen Ansicht gelangen: Nichts ist unmöglich. Allein schon der intelligente, präzise und dabei sehr persönliche Text von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller über Artikel 1, den "Schutz der Menschenwürde", macht die Lektüre lohnenswert. Und die Bandbreite ist bei an die 40 Autoren von Feridun Zaimoglu ("Diskriminierungsverbot") über Jonas Lüscher ("Schuldenbremse") bis Lena Gorelik ("Kunstfreiheit") natürlich groß.

Die "Einladung zum Gespräch", die dieses Buch laut Oswald darstellen soll, wurde nicht nur bei einer Veranstaltung im Schauspiel Frankfurt während der Buchmesse praktisch umgesetzt. Auch ein Abend im Münchner Literaturhaus dient nun dem "Versuch, Schwellenangst zu nehmen". Wenn die Diskussion so interessant wird wie in Frankfurt, kann das gelingen. Warum gerät die parlamentarische Demokratie, in der ja alles auf jenem Grundgesetz basiert, immer mehr in die Defensive? Als eine Antwort wies der Schriftsteller Feridun Zaimoglu auf die vom Staat nicht immer glaubwürdig gelebte Praxis der schönen Theorie hin; wenn der Staat etwa beim Thema NSU lüge, dann "helfen Schönwetterreden überhaupt nicht". Trotz manch institutionellem Versagen beschworen Autoren wie Ijoma Mangold oder Jonas Lüscher dagegen die Stärken einer Demokratie, die nun mal ein Prozess sei. Es sei ein Traumbild, dass eine Demokratie zur Vollendung kommen könnte, sagte Lüscher, es sei vielmehr ein "täglicher Kampf".

"Das Grundgesetz": Diskutiert im Münchner Literaturhaus: Schriftstellerin Anna Katharina Hahn.

Diskutiert im Münchner Literaturhaus: Schriftstellerin Anna Katharina Hahn.

(Foto: imago/Eßling)

Unterschiedliche Perspektiven lässt auch das Podium in München erwarten. Dabei sind neben der Schriftstellerin Anna Katharina Hahn ("Schulwesen") auch zwei SZ-Redakteure mit ihren Essays: Andrian Kreye hat sich für das Buch die "Pressefreiheit" vorgenommen, Ronen Steinke den "Schutz vor Ausbürgerung und Auslieferung". Das passt gut zum Thema "Asylrecht", dem sich die ebenfalls eingeladene Autorin Dana Grigorcea gewidmet hat - und verspricht lebhafte Diskussionen.

Die gehören eben dazu. "Wir haben doch dauernd Streit", sagte die ehemalige Richterin Angelika Nußberger in Frankfurt gelassen, "es tut dann eben weh": "Demokratie ist unglaublich anstrengend." Vergessen sollte man bei alldem jedenfalls nicht, was der Leiter des Frankfurter Literaturhauses beschwor: Das Grundgesetz "ist die kostbarste Flamme, die wir haben", so Hauke Hückstädt. "Sie darf uns nicht ausgehen."

Das Grundgesetz, Di., 6. Dez., 20 Uhr, Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, literaturhaus-muenchen.de

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