Was läuft in der LiteraturDer Gesang der Vokale

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Wenn Stella Nyanzi ihre Gedichte vorträgt, vibriert die Luft - bald zu erleben im Kunstverein.
Wenn Stella Nyanzi ihre Gedichte vorträgt, vibriert die Luft - bald zu erleben im Kunstverein. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Münchner Literaturszene gibt sich in den letzten Juli-Tagen noch einmal in zahlreichen Veranstaltungen dem Sound der Sätze und der Musik hin, lässt die Wörter strömen und die Assoziationen sprudeln.

Von Antje Weber

„Menschliche Sprache ist wie ein zerbrochener Kessel, auf dem wir rohe Rhythmen tippen, zu denen Bären tanzen können, während wir uns danach sehnen, Musik zu machen, die die Sterne zum Schmelzen bringt.“ Diesen Satz schrieb der französische Schriftsteller Gustave Flaubert einst in „Madame Bovary“ – und wer möchte da nicht sofort den Bären steppen lassen und Beats zu den Sternen beamen?

Alles möglich, dafür ist die Literatur da, und die Musik auch. Sie gehen ständig eine Liaison miteinander ein, im Gesang der Vokale, im Rhythmus der Worte, im Takt der Sätze. Und bevor wir uns im August vielleicht dem Auf und Ab der Wellen am Ammersee oder in den Weiten der Welt hingeben, können wir uns in den verbleibenden Juli-Tagen noch einmal im Sprachfluss der Schriftstellerinnen und Schriftsteller treiben lassen. Give Us The Rhythm!

Zum Beispiel in der Muffathalle beim Isarslam, bei dem sich diesmal unter anderen die Poetry Slammer Jule Thomsen, Anuraj Sri Rajarajendran, Lotta Emilia, Estha Sackl und Mate Tabula einen Wettstreit der Worte liefern (22. Juli). Rhythmusgetrieben ist auch die Lesung von Ann Kathrin Ast bei Literatur Moths – nicht nur heißt ihr Roman „Beat“, sondern die Schlagzeugerin Leonie Klein wird auch die passende Perkussion dazu liefern. Schließlich geht es im Buch um einen Studenten namens Beat, der an sich zweifelt und an der Musik (23. Juli).

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Was den stimmigen Rhythmus und Sound angeht, ist auch Stella Nyanzi Expertin. Wenn die aus Uganda stammende, in München lebende Autorin und Aktivistin mit Verve ihre Gedichte vorträgt, vibriert die Luft – zu erleben im Kunstverein bei der Reihe Meine drei lyrischen Ichs. Außerdem lesen dort Logan February – der nigerianische Autor lebt derzeit in Berlin – und sein Übersetzer und Lyriker Christian Filips; als viertes Ich aus der Kunst ist Elina Uschbalis dabei (25. Juli). Wer wiederum chinesischer Lyrik lauschen will, ist beim Saisonausklang im Lyrik Kabinett mit Dong Li richtig, derzeit Stipendiat der Stiftung und der Villa Waldberta (24. Juli).

Einen ganz eigenen, bewegenden Sound und Sog lassen auch die Gedichte von Mascha Kaléko (1907-1975) entstehen. Die Sängerin Etta Scollo hat sich von ihnen zu einer Hommage inspirieren lassen, die im Literaturhaus erstmals zu hören ist (26. Juli). Das Schicksal der jüdischen Schriftstellerin Kaléko, deren Bücher von den Nationalsozialisten verboten wurden und die schließlich mit ihrer Familie emigrieren musste, schwingt bei einer Veranstaltung im NS-Dokuzentrum mit: Arbeit und ... Trauma heißt ein Abend mit Gespräch und Lyrik-Lesung, bei dem es um insbesondere polnische Zwangsarbeiter und deren Nachkommen geht. Neben den Historikern Roland Borchers und Jakub Gałęziowski ist der Schriftsteller Matthias Nawrat zu Gast (23. Juli).

Weniger die Arbeit, sondern eher der Freizeitaspekt prägt zwei Veranstaltungen der Monacensia. An diesem Samstag, 20. Juli, steht zunächst das Sommerfest mit Lesungen und Musik an, am 1. August dann das experimentelle Format Show & Tell. Die Autorin Annegret Liepold, derzeit Schreib-Residentin der Monacensia, lädt dazu vier Gäste ein, die frei über ein selbstgewähltes Thema erzählen, das nicht mit ihrem Beruf zu tun hat. Unter anderen wird Comic-Autor Dominik Wendland das Spiel „Magic: the Gathering“ vorstellen und die Musikerin Maria Hafner über das Kraulen plaudern, dazu spielt die Band Su Yono. Es werden hoffentlich Wein und Worte fließen, die Bären freiwillig tanzen und die Sterne vor Entzücken taumeln.

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