Beginnen die Urlaubsbilder bereits im Kopf zu verblassen? Ist da noch oder schon wieder Sehnsucht zu spüren, nach Ferne, nach MeerStrandDolcefarniente? Es wäre ja schon schön, sich eine oft dem Süden zugeschriebene Leichtigkeit zu bewahren. Und ein probates Mittel wäre doch, sich der italienischen Literatur zuzuwenden; es muss ja nicht immer Donna Leon sein.
Italien jedenfalls wird als Gastland der Frankfurter Buchmesse auch in München bald mit etlichen Lesungen gewürdigt. Sich davon allerdings nur Dolce Vita zu erwarten, wäre ein Missverständnis. „Italien ist malerisch und einladend, aber schwer zu verstehen“, sagt die Journalistin und Autorin Petra Reski. Und so ist es sicher eine gute Idee, sich als erstes mit ihr und ihrem Buch „All’ Italiana“ dem Land in all seinen Widersprüchen zu nähern (Literaturhaus, 12.9.). Um dann unter anderen Maria Borio beim „Nachsommer der Dichter“ im Italienischen Kulturinstitut zu lauschen (19.9.) oder sich mit Melania G. Mazzuccos Roman „Die Villa der Architektin“ ins Rom des 17. Jahrhunderts zu beamen (Literaturhaus, 18.9.).
Und dann? Landet man doch wieder im 21. Jahrhundert, mit all seinen Problemen. Den nur vermeintlich privaten zum Beispiel: dem Thema Missbrauch etwa, das die in Frankreich vielfach ausgezeichnete Autorin Neige Sinno in ihrem Buch „Trauriger Tiger“ verarbeitet. Oder bei der komplexen Melange von weiblicher Emanzipation und Künstlertum, die Rachel Cusk im Roman „Parade“ umtreibt (Literaturhaus, 11. bzw. 13.9.). Oder beim grundsätzlichen Gegrübel über die verquere Welt. Da nützt vielleicht ein Vortrag von Edgar Grande, den er im Rahmen der Kant-Reihe „Urteilskraft – gibt es Maßstäbe für Werte und Wertungen?“ an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste hält (18.9.). Ob der Politikwissenschaftler zeitlos gültige Antworten findet?
Sie wären auch tagespolitisch interessant. Zum Beispiel mit Blick auf die Wahlen im Osten Deutschlands – erhellend ist da aber auch Steffen Maus Buch „Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt“; der Soziologe erklärt das in der Buchhandlung Lehmkuhl (10.9.). Als Ergänzung bietet sich ein Abend im Literaturhaus an (19.9.): Marcus Bensmann vom Recherche-Netzwerk „Correctiv“, das die Pläne der AfD zur „Remigration“ aufdeckte, stellt das Buch dazu vor – und im Gespräch mit dem ehemaligen AfD-Anhänger Alexander Leschik klar: „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“.
Das trifft auch auf das Buch „Wir schon wieder. 16 jüdische Erzählungen“ zu. Der Essayband ist der Versuch, in aufgeheizter Zeit ein Spektrum jüdischer Stimmen in Deutschland abzubilden. Dass das Meinungsbild heterogen ist, verschärft durch den Krieg in Gaza und grassierenden Antisemitismus, versteht sich von selbst. Bereits die Wahl des Titels, so machen das Vorwort von Herausgeberin Dana von Suffrin und ein Brief von Maxim Biller deutlich, war umstritten. Und doch, geht es nicht eben darum, wie Suffrin schreibt, in Frieden zu streiten? Zum Beispiel bei der Buchpräsentation im Literaturhaus (10.9.). Denn auch wenn Elfriede Jelinek in ihrem Text den Sinn anzweifelt, immer wieder auf dem Papier die Humanität zu beschwören – ihr an Ernst Jandl erinnernder erster Satz ist dennoch gültig: „Humanitääääät, die könnten wir schon ein bisserl brauchen.“