Premiere:Gar nicht mal so überzogen

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Die Regisseurin und Drehbuchautorin Anika Decker (von links) mit dem Cast ihres neuen Films: Peri Baumeister, Lucie Heinze, Elyas M'Barek, Alexandra Maria Lara und Rick Kavanian. (Foto: Robert Haas)

"Liebesdings"-Premiere mit Elyas M'Barek und Lucie Heinze: Das Schaulaufen vor der Presse wird zum Spiegel des Films, der danach gezeigt wird - eine romantische Komödie über das Berühmtsein und seine Schattenseiten.

Von Sarah Maderer

Der Filmtrailer verspricht tanzende Tampons und orchideengleiche Klitoris-Hüte, beides wäre bei der München-Premiere von Anika Deckers neuem Film "Liebesdings" ein Hingucker gewesen. Stattdessen verzichtet der Mathäser-Filmpalast am Montagabend auf übermäßiges Brimborium: ein königsblauer Teppich vor einem in Blautönen gehaltenen, typischen Romantic-Comedy-Filmplakat, dazu Kühlschränke voll Wasser, Bier und Cola. Wobei sich besonders die Kühlschränke im stickig-aufgeheizten zweiten Obergeschoss noch als essenziell erweisen werden. Weit über eintausend Gäste - später auf zwei Kinosäle verteilt - drängen sich mit gezückten Handys dicht an dicht um die Teppich-Absperrung, der Bitte des Veranstalters um das Tragen einer FFP2-Maske kommen die wenigsten nach.

Vielleicht muss deshalb alles sehr zackig gehen. Sobald Regisseurin und Drehbuchautorin Anika Decker und der Cast eingelaufen sind, darunter Alexandra Maria Lara und Rick Kavanian sowie die Hauptdarsteller Elyas M'Barek und Lucie Heinze, werden sie der Presse in Minuten getakteter Fließteppicharbeit durchgereicht - fast eine Realvorschau auf die Handlung von "Liebesdings", in der die Presse keine unerhebliche Rolle spielt: Deutschlands größter Filmstar Marvin Bosch, gespielt von M'Barek, flüchtet sich nach einem entgleisten Interview mit der skrupellosen Klatschreporterin Bettina Bamberger (Lara) vor der Presse in ein feministisches Indie-Theater, es folgen Drogenrausch, die "Tamponettes", Liebeswirrungen und ein Happy End im Vulva-Sofa.

Decker sei es ein Anliegen gewesen, neben der Haupthandlung auch Themen wie Feminismus und Diversität in den Film zu integrieren: "Ich wollte die queere Community in den Film einbinden, weil die Welt so bunt und vielfältig sein soll wie in ,Liebesdings'", erklärt Decker, die sich ihrer Studienstadt München abgestimmt zum blauen Teppich im seidig-glänzenden blauen Hosenanzug zeigt.

Angesprochen auf ihre Filmerfahrung als Journalistin muss Alexandra Maria Lara lachen, wo sie ja gewöhnlich auf der anderen Seite des Mikros steht. "Figuren wie Bettina Bamberger sind auch Charakterfrage, das ist nicht nur der Beruf", so Lara, die mit Anika Decker seit ihrer gemeinsamen Arbeit bei "Rubbeldiekatz" von vor über zehn Jahren befreundet sei.

Filmstar spielt Filmstar: Elyas M'Barek. (Foto: Robert Haas)

Decker, die als Drehbuchautorin an Erfolgsfilmen wie "Keinohrhasen", "Zweiohrküken" oder "SMS für dich" beteiligt war, bestätigt, dass "die Boulevardreporterin aus der Hölle", wie sie Lara nach dem Film auf der Bühne begrüßt, gar nicht so überzogen sei: "So etwas gibt's ja tatsächlich, das sind Geschichten, die ich aus den letzten 20 Jahren gesammelt habe." Dass ihr Hauptdarsteller Elyas M'Barek das am eigenen Leib erfahren hat, empfindet Decker als Vorteil: "Er ist ein völlig anderer Mensch als die Rolle, aber er kennt solche Situationen, und wir haben viel darüber gesprochen."

Unterdessen zieht M'Barek im hellgrauen Doppelknopfleistenanzug zügig an Kameras und Mikros vorbei, sei es aus Zeitnot oder aus Presse-Skepsis, die er mit seiner Filmfigur gemein hat. Jedenfalls beschleicht einen im Interview das Gefühl, dass man auch ohne Corona-Restriktionen von M'Bareks Team zu Abstand angemahnt werden würde. Der geborene Münchner freut sich, an diesem Abend nach Hause zu kommen, mal nicht im Hotel schlafen zu müssen und Familie und Freunde zu sehen.

Während der Filmvorführung trifft man ihn, Decker und die anderen Darsteller eher vor oder am Rande des Kinosaals, kurz durchatmen, etwas trinken, die Publikumsreaktionen von ganz hinten miterleben - unruhig, aber nachvollziehbar bei der dritten Premiere. Erst zum Filmende versammeln sich alle Akteure vor der Leinwand, wie im Film und zuvor am blauen Teppich warten alle auf M'Barek, der den Journalisten im Saal süffisant ein letztes "Wenn's nicht gefallen hat, einfach Klappe halten" mitgibt. Kein leichter Abend für die deutsche Presse.

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