Lichtwoche:München soll leuchten

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So schön kann die Nacht sein: Schon zum fünften Mal findet die Münchner Lichtwoche statt. (Foto: oh)

Am Donnerstag beginnt die Lichtwoche, mit Installationen in Ateliers, Werkstätten und auf öffentlichen Plätzen. Ein Chronobiologe erklärt, warum Licht viel mehr ist als nur Helligkeit.

Von Günther Knoll

Als Thomas Mann in seiner Novelle "Gladius Dei" den Zustand der Stadt um 1900 mit "München leuchtete" beschrieb, ging es ihm um ihren Rang als Kunstmetropole. Seitdem wird diese Sentenz immer wieder gerne zitiert, meist ins Präsens verwandelt. Und sie trifft ja auch zu, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Beleuchtungstechnik kann inzwischen jedes Verlangen nach mehr Licht bedienen, mit der Folge, dass sich die Stadt jeden Abend in ein Lichtermeer verwandelt. Dass Licht nicht unbedingt nur grell sein muss, sondern dass es nützlich, sinnvoll, umweltschonend und gesundheitsfördernd eingesetzt und vor allem auch ästhetischen Zwecken dienen kann, das alles will die Münchner Lichtwoche beweisen.

Sie lässt die Stadt vom 31. Oktober bis zum 8. November besonders erstrahlen. Ateliers, Werkstätten, Galerien und Showrooms öffnen ihre Türen, an bestimmten Orten der Innenstadt, wie zum Beispiel am Gärtnerplatz, sollen Lichtinstallationen außergewöhnliche Impressionen vermitteln.

Vom 31. Oktober bis zum 8. November leuchtet die Stadt an verschiedenen Orten der Innenstadt ganz besonders. (Foto: Ingo Sebastian)

Licht ist viel mehr als nur Helligkeit. Das wird klar, wenn man mit Andreas Wojtysiak spricht. Der Diplombiologe arbeitet bei Osram im Bereich "Human Centric Lighting" - dabei sollen bestimmte Lichtsysteme für das Wohlbefinden des Menschen eingesetzt werden. In der Natur hat nun Grau die letzten schönen Spätherbsttage abgelöst. Was manche als Novemberblues empfinden, kann bei anderen zu einer echten Winterdepression führen. Wojtysiak weiß aus der Forschung, dass selbst Tiere "Eintrübungserscheinungen" zeigen können, wenn die Tage kürzer werden und das Tageslicht schwindet.

Man verstehe heute viel besser, "das Licht nicht nur zum Sehen da ist, sondern auch die Körperfunktionen steuert". Auf der Netzhaut befinden sich lichtempfindliche Zellen, sie sind dafür verantwortlich, dass im Gehirn Serotonin - Wojtysiak nennt es "happy hormon" - ausgeschüttet wird, besonders viel davon an lichtdurchfluteten Sommertagen mit 50 000 Lux Helligkeit. Nur 30 000 Lux sind es an grauen Herbsttagen. Das menschliche Auge komme zwar auch mit nur 500 Lux am Schreibtisch zurecht, das Glückshormon aber bleibe dabei auf der Strecke.

Das aber ist nicht nur ein Wachmacher, sondern es ist auch verantwortlich für die Produktion des Hormons Melatonin, das für Erholung und Schlaf notwendig ist. So kommt es, dass man sich an düsteren Tagen müde und abgeschlagen fühlt, aber trotzdem nicht gut schlafen kann. Diese Steuerfunktionen können "gezielt angesprochen werden", erklärt der Lichtforscher.

Andreas Wojtysiak ist Chronobiologe und forscht mit seinem Team beim Münchner Unternehmen Osram an der Wirkung des Lichts auf den Menschen. (Foto: Osram)

Mit modernen Lichtsystemen versuche man, die wachmachenden Effekte des Tageslichts zu simulieren. Abends dagegen setze man auf schwächeres Licht mit Rot- und Gelbtönen, das soll der Entspannung dienen und die Nachtruhe nicht stören. Tageslicht eins zu eins künstlich zu erzeugen, ist laut Wojtysiak zwar technisch möglich, würde aber viel zu viel Energie verbrauchen. "Wenn Sie viel draußen sind, hat das auch einen förderlichen Effekt für die Erholung in der Nacht", erklärt er. Weil nämlich das Serotonin ausgeschüttet werde, das dann wiederum für das Melatonin ausschlaggebend sei, das den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers steuert.

Untersuchungen haben laut Wojtysiak gezeigt, dass Schichtarbeit zu Gesundheitsproblemen führen kann. Der natürliche Tag-Nacht-Rhythmus sei dann oft gestört. Mit geschicktem Lichteinsatz während der Nachtarbeit etwas zu verbessern, das werde derzeit erforscht. Ob dabei auch das spezielle Münchner Licht nützlich sein kann, wie es etwa der Liedermacher Willy Michl im "Isarflimmern" besingt oder wie es mancher im schattigen Biergartengrün oder an klaren Föhntagen erlebt haben will? Das alles sei "naturwissenschaftlich nicht wirklich greifbar", sagt der Chronobiologe. Für ihn ist das eine Sache des "Lebensgefühls". Unbestreitbar aber habe München bestimmte Standortvorteile. "Wir sind weit im Süden und haben damit längere Tage und mehr Licht." Außerdem sorge der Föhn für klare Sonnentage. Und ein Fluss, der durch die Stadt fließe und dabei das Sonnenlicht reflektiere, sei auch etwas Besonderes.

An Dauerbeleuchtung, welche die Nacht zum Tag macht, haben sich die Münchner längst gewöhnt. "Das kommt grundsätzlich so in der Natur nicht vor", sagt Wojtysiak. Bedachtsamkeit sei da gefragt, man dürfe nicht alles überstrahlen, sondern müsse das Licht gezielt einsetzen. Denn der gekonnte Umgang mit Licht und Schatten an Fassaden zum Beispiel sei natürlich interessant. Und auch ein rot leuchtendes Stadion sei nicht störend, zumal diese Farbe weit weniger negative Auswirkungen auf Insekten habe, als wenn man blaue Lichtquellen einsetze.

Veranstaltungen wie die Lichtwoche mit Workshops, Vorträgen, Führungen und Ausstellungen sowie einem Nachwuchspreis für gekonntes Lichtdesign sollen die Bedeutung des Lichts in den Vordergrund stellen. Deshalb findet sie auch der Experte sinnvoll. Über die gesundheitliche Wirkung des Lichts zum Beispiel wüssten viele so gut wie nichts. "Wir nehmen das Licht als etwas Gegebenes wahr. Wir müssen aber seinen Wert erkennen und seine Schönheit merken."

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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