Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Im Lichte der Stadt:Der Münchner am Himmel

Lesezeit: 3 min

Himmelskörper wie den "Monachia" kann man von der Stadt aus immer schlechter beobachten. Denn München wird stetig heller - Astronomen bedauern das.

Von Thomas Anlauf

München leuchtet - auch am Himmel. Es ist allerdings nicht gerade ein strahlendes Licht: Der Himmelskörper hat in etwa die Leuchtkraft von Asteroid "Eros". Gut, das klingt irgendwie sexy, aber "Monachia", wie der Münchner am Himmel heißt, ist ebenso wie Eros eigentlich nur ein wenige Kilometer großer Steinhaufen, der zwischen Mars und Jupiter im Hauptgürtel unseres Sonnensystems herumschwirrt. Nur wenige kennen den Asteroiden, den der Münchner Astronom Walter Villiger am 18. November 1897 entdeckte. Doch er erzählt Einiges über München.

Villiger stammte ursprünglich aus der Schweiz, doch der damalige Weltruf Münchens als herausragender astronomischer Forschungsstandort brachte ihn an die Isar. An der Königlichen Sternwarte in Bogenhausen konnte er mit dem seinerzeit weltbesten Teleskop, das Joseph von Fraunhofer entwickelt hatte, in die Sterne blicken und schließlich "Monachia" entdecken.

Den Bau der ersten Sternwarte Münchens hatte 1816 König Max I. Joseph für die Bayerische Akademie der Wissenschaften in Auftrag gegeben, in München gab es zu dieser Zeit noch gar keine Universität. Allerdings wurde die Sternwarte nicht mitten in der Stadt, sondern auf einer Anhöhe außerhalb Münchens errichtet, weil es dort eine bessere Sicht auf den Sternenhimmel gab. Im damaligen Dorf Bogenhausen wurde nicht nur nach neuen Himmelskörpern geforscht, sondern mithilfe der Sternenbeobachtung auch die exakte Ortszeit bestimmt, die damals für ganz Bayern galt.

Heute haben die historischen Teleskope der Universitäts-Sternwarte nur noch untergeordnete wissenschaftliche Bedeutung. Bekanntlich liegt Bogenhausen längst mitten in der immer heller erleuchteten Stadt. Und das ist ein Problem für Astronomen. "Es sind eine ganze Reihe Sterne verschwunden in München", sagt Benjamin Mirwald. Der Leiter der Münchner Volkssternwarte, die neben der Universitätssternwarte und dem Deutschen Museum das dritte Münchner Observatorium ist, beklagt die hohe Lichtverschmutzung in der Stadt.

"Mich erschreckt, wie zunehmend hell München in der Nacht wird", sagt der Physiker. Gerade in den vergangenen fünf Jahren hätten sich die Beobachtungsmöglichkeiten von Himmelskörpern "rapide verschlechtert". Früher konnte Mirwald den Andromedanebel, der eigentlich vier Mal größer als der Vollmond wirkt, von der Volkssternwarte gut mit dem bloßen Auge erkennen. Mittlerweile sei es in München schwierig, ihn mit einem Fernglas zu entdecken.

Dabei sind jetzt in den langen, oft klaren Winternächten mehr ganz helle Sterne zu sehen. In diesen Nächten können von der Sternwarte an der Rosenheimer Straße aus, aber auch abseits von starken Lichtquellen, derzeit die Quadrantiden am Himmel beobachtet werden. Sie sind ein jährlich um Neujahr wiederkehrender Sternschnuppenschwarm, der seinen Höhepunkt just diese Freitagnacht hat, allerdings auch noch in den kommenden Nächten gut am Himmel zu sehen ist. Dann wird die Erscheinung deutlich schwächer, auch, weil der Mond an Leuchtkraft zunimmt. Der Mond wiederum beschert den Betrachtern am 10. Januar ein besonderes Phänomen: Dann wird bei klarer Sicht eine Halbschattenmondfinsternis zu sehen sein. Für mehrere Stunden ist dann mit dem bloßen Auge ein grauer Schatten im unteren Bereich des Mondes sichtbar.

Wer glaubt, nur Menschen interessierten sich für Sonne, Mond und Sterne, täuscht sich. "Die Frostspanner orientieren sich eigentlich am nächtlichen Sternenhimmel", sagt Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in München. Die Falter können selbst in kalten Winternächten beobachtet werden, damit sind sie eine große Ausnahme unter den Schmetterlingen.

Man sieht die Großen und Kleinen Frostspanner, die eigentlich zu den Forstschädlingen zählen, nachts im Schein von Straßenlaternen tanzen, was ihnen meist nicht gut tut. Sie flattern dort bis zur Erschöpfung um das vermeintliche Himmelslicht herum und werden dann am nächsten Morgen von Meisen gefressen. Die kurzen Tage und langen Nächte stellen ohnehin viele andere Tiere vor eine große Herausforderung. "Vor allem tagaktive Tiere wie Eichhörnchen und Vögel müssen innerhalb weniger Stunden besonders viel Nahrung aufnehmen, um die lange, kalte Nacht überstehen zu können", sagt LBV-Geschäftsführer Sedlmeier.

Es gibt aber auch Profiteure des Winters, zum Beispiel Moose. Sie waren zwischen 1950 und 1980 in München wegen der hohen Schwefeldioxid-Emissionen von Brenn- und Kraftstoffen nahezu ausgestorben. Seit der Abgasentschwefelung in den Achtzigerjahren nahmen wiederum Stickoxide in der Luft stark zu - "und die wirken düngend. Seitdem siedeln sich Moose wieder verstärkt an", sagt Sedlmeier. Im Herbst und Winter können die weitgehend frostharten Moose besonders gut wachsen, weil sie auch in der dunklen Jahreszeit mehr Licht bekommen. Weshalb das so ist? Weil die Moose meist an den Borken von Bäumen siedeln, im Winter die Laubbäume ihre Blätter verloren haben und so das Sonnenlicht auf die Moose fällt.

Die Biber in München, die vor allem am Deutschen Museum und an der Würm gut beobachtet werden können, halten es in der dunklen Jahreszeit ähnlich wie die Menschen. "Der Biber macht es sich im Winter gemütlich", sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz in München. Die Familie zieht sich in eine sogenannte Winterburg zurück und kuschelt sich aneinander. Das kann etwas eng werden, schließlich lebt die Biber-Familie "in einem Drei-Generationen-Haus", so Hänsel: Neben Vater und Mutter Biber ist da der Nachwuchs aus zwei Generationen, insgesamt leben bis zu acht Biber in einer Burg. Wenn die Wintersonne scheint, kann man gelegentlich einen Biber beim Sonnen auf der Biberburg sehen. Das Verhalten ist doch sehr münchnerisch, auch wenn bislang noch kein Biber vor dem Café Tambosi am Odeonsplatz gesichtet wurde, zumindest nicht lebend.

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SZ vom 04.01.2020
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