Serie: Im Lichte der Stadt:München, das Anti-Las Vegas

Serie: Im Lichte der Stadt: Eines der neusten beleuchtenden Bauwerke in München: das Riesenrad im Werksviertel.

Eines der neusten beleuchtenden Bauwerke in München: das Riesenrad im Werksviertel.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn sich die Dunkelheit senkt, geht es in vielen Metropolen bunt zu. München ist da anders. Bei der Beleuchtung ihrer Wahrzeichen kultiviert die Stadt eine außergewöhnliche Zurückhaltung - auch der Natur zuliebe.

Von Dominik Hutter 

Braucht es am Las Vegas Strip eigentlich noch eine Straßenbeleuchtung? Zwischen all den zuckenden, knallbunten, gelegentlich schon skulpturalen Lichtreklamen, die aus der Stadt in der Wüste Nevadas einen Ort machen, den man bevorzugt bei Nacht aufsucht. Antwort: Ja, es gibt eine, ausgeführt in einer Zurückhaltung, die eigentlich gar nicht zu dem grellen Image der konsumschreienden Casino-Stadt passt. Sie wäre eher für München geeignet, das gut 9200 Kilometer östlich liegt und in seiner lichttechnischen Bescheidenheit so etwas wie das Gegenmodell zu der stets ein wenig ordinär wirkenden Neon-Diva darstellt.

Die Stadt an der Isar gibt sich bei Nacht eher mondän, als Grande Dame sozusagen: Hier geht es nicht um Casinos und Erfrischungsgetränke, sondern darum, das historische Stadtbild ins beste Licht zu rücken. Bauten anzustrahlen, statt sie mit Reklame zu verdecken. Die Stadtverwaltung achtet streng darauf, dass bei dunklem Himmel niemand über die Stränge schlägt.

Und so ähnelt jeder Nachtspaziergang durch München einer Tour durch eine prachtvolle, fast schon unwirklich anmutende Kulisse. Das pompöse Siegestor, dahinter die erleuchteten Türme der Altstadt - bis am Max-Joseph-Platz der spektakulär ausgeleuchtete Säulenportikus des Nationaltheaters final den Eindruck bestätigt, in einer wahrhaft königlichen Stadtlandschaft unterwegs zu sein.

Wer eher auf Gruselschloss mit gotischem Zierrat steht, kann einige Meter weiter am Marienplatz das Neue Rathaus bewundern, das erst im nächtlichen Scheinwerferlicht so richtig seinen Hogwarts-Charakter entfaltet. Fuckin' spooky, würde der Tourist wohl raunen. Zumindest wenn er vor 23 Uhr vorbeikommt. Denn um diese Zeit werden die Anstrahlungen historischer Bauten inzwischen per Zeitschaltuhr abgeschaltet. Insekten- und Vogelschutz. Lichtverschmutzung gilt längst als ernsthaftes Problem, selbst in einer so zurückhaltend illuminierten Stadt wie München. Bis August dieses Jahres, als eine Neuregelung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes in Kraft trat, gingen die Lichter erst um 0.30 Uhr aus.

Gut 100 Münchner Monumente werden jede Nacht vom städtischen Baureferat angeleuchtet. In unterschiedlichen Weißtönen, um die Akzente der Fassaden besser herauszustellen. Die stets nach reiflicher Überlegung platzierten Leuchten, das ist der Verwaltung wichtig, sind sehr energiesparend - der Einzelstrahler für einen Brunnen kommt mit 13 Watt aus. Bei größeren "Motiven" wie der Frauenkirche werden dann aber doch 7500 Watt benötigt. Dafür ist der gotische Backsteinriese dann auch noch von der Donnersbergerbrücke aus deutlich zu erkennen. Wie sich das für ein Wahrzeichen gehört.

Im Lichte der Stadt

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Das war natürlich nicht immer so. Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Frauenkirche hat den weitaus größten Teil ihrer bisherigen Existenz nachts in komplettem Dunkel verbracht. Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat die Stadt begonnen, sich auch nach Einbruch der Dunkelheit optisch in Szene zu setzen. Erstmals, natürlich in bescheidenem Umfang, im Jahr 1928.

Blinken darf in München normalerweise nichts

Den Münchnern scheint das zu gefallen. Seit 1998 werden über die Initiative "München im Licht" sogar Sponsorengelder gesammelt, damit auch zu späterer Stunde spektakuläre Ausblicke auf Fassaden, Brunnen und Denkmäler möglich sind. Was angestrahlt wird, prüft das Baureferat auf Vorschlag des Stadtrats, der Bezirksausschüsse oder der Bürger direkt. Moderne Bauten werden oft nicht einfach angestrahlt, sondern verfügen über ein speziell kreiertes Nacht-Design. Wer bei Dunkelheit über die Nürnberger Autobahn nach München hineinfährt, wird spektakulär von den mit blauen Lichtkanten ausgestatteten Highlight Towers begrüßt. Sie tragen dazu bei, dass die in Wahrheit nur 126 und 113 Meter umfassenden Türme deutlich höher wirken als sie sind. Auch das Hochhaus an der Donnersbergerbrücke, der Central Tower, ist nachts mit blauen Lichtpunkten geschmückt. Die bei Bedarf auch in anderer Farbe leuchten können: In der Vorweihnachtszeit ist auf der Glasfassade ein stilisierter Christbaum zu sehen. So viel Spektakel darf selbst in München sein.

Natürlich gibt es auch im illuminatorisch konservativen München Ecken, die mit viel Neonreklame Weltstadtflair vermitteln. Es sind nur nicht allzu viele. Die Schwanthaler- und Schillerstraße gehören dazu oder auch die Sonnenstraße. Am Stachus-Rondell wird gar darüber diskutiert, die eigentlich eher zurückhaltende Werbung für Osram, die kürzlich abgenommen wurde, wieder an der säulengeschmückten Fassade zu montieren. Die Münchner vermissen ihr kleines bisschen Neon-Gefunkel - gerade jetzt, da der Königshof nicht mehr da ist, der einst eine einzige stromfressende Werbewand war. Aber auch bei Reklamebuchstaben achtet die Verwaltung penibel darauf, dass München keine Anleihen nimmt an wüst blinkenden Werbe-Orgien à la Piccadilly Circus oder Times Square. Immer hübsch zurückhaltend, lautet das Motto auch hier.

Blinken darf in München normalerweise gar nichts, und auch große Bildschirme an Häuserfassaden sind nur in Ausnahmefällen erlaubt (am Mathäser etwa). Ansonsten gilt: Auf den Dächern von Hochhäusern dürfen keine Leuchtbuchstaben in den Himmel ragen. Wer auf sich aufmerksam machen will, muss die Botschaft an der Fassade anbringen. Und damit ein einzeln stehender Turm nicht zur Werbeikone wird, soll möglichst nur der Hauptmieter seine Anlagen montieren. Ausnahmen sind möglich, aber die Stadt bleibt im Regelfall ihrem Ruf als Anti-Las Vegas treu. Als Anfang der Nullerjahre Mercedes einen rotierenden Stern auf seiner neue Niederlassung an der Donnersbergerbrücke montieren wollte, musste die Firma dies vor Gericht durchfechten. Heute dreht das Symbol auf dem Dach unverdrossen seine Runden, niemand regt sich mehr auf.

Toleranter ist München auch bei seinem höchsten Bauwerk geworden, dem Olympiaturm. Seit 2017 darf der Betonstengel bei besonderen Anlässen angestrahlt werden. Beim Sommernachtstraum etwa oder bei Munich Mash illuminieren Scheinwerfer auf dem Boden und auf den Plattformen das moderne Münchner Wahrzeichen. Auch Farbe ist manchmal erlaubt, zum St. Patrick's Day etwa oder anlässlich des Christopher-Street-Days.

Der Olympiaturm verfügt zusätzlich über etwas, das zwar eine Pflichtaufgabe darstellt, zum nächtlichen Eindruck eines Großstadt-Lichtermeers aber sehr viel beiträgt: ein Hindernis- und Gefahrenfeuer. Gemeint sind die roten Leuchten, die verhindern sollen, dass Flugzeuge oder Hubschrauber gegen das Bauwerk krachen. Sie sind über die komplette Länge des Turms verteilt, leuchten kranzförmig auf 50, 100, 152, 204 und 291 Meter Höhe. Dazu kommen, als auffälligste Komponente, drei Blinklichter auf 248 Meter Höhe. Früher drehten sich bei schlechter Sicht auch noch drei sogenannte Drehlinsenfeuer mit starken weißen Lichtstrahlen. Dann sah der Olympiaturm aus wie ein Leuchtturm. Sie sind längst abmontiert worden.

Womit sich der Kreis schließt im Vergleich der Licht-Ideologien. Während der Olympiaturm normalerweise als dunkle Stange mit roten Lichtpunkten in den Himmel ragt, ist der 350 Meter hohe Stratosphere Tower in Las Vegas so ausgiebig illuminiert, dass man sich fragt: Hat das Ding auch noch Positionslampen?

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