Protest gegen Klimapolitik:„Letzte Generation“ schlägt Zelte am Stachus auf

Lesezeit: 3 Min.

Aktivisten der "Letzten Generation" protestieren vor dem Justizpalast gegen den Klimawandel. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Aktivisten blockieren 24 Stunden lang die Prielmayerstraße und wollen mit ihrem Protest die Klimakrise im öffentlichen Diskurs halten. Neben dem Justizpalast haben sie die Nacht verbracht und viel diskutiert.

Von Bernd Kastner

Aktivisten der Klimagruppe „Letzte Generation“ haben seit Samstagmittag die Prielmayerstraße am Stachus blockiert. Sie wollen damit auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen. Die

Gruppe sprach von einer „ungehorsamen Versammlung“, weil die Aktion nicht bei den Behörden angemeldet war. Ihr Ziel war es, 24 Stunden neben dem Justizpalast zu bleiben, für die Nacht stellten sie Zelte auf. Die Polizei ließ die Aktion zu, es kam zu keinen Zwischenfällen.

„Öl, Gas und Kerosin treibt die Welt in den Ruin“, steht auf einem der Transparente, die die meist jungen Aktivisten kurz nach zwölf Uhr am Samstag aufspannen. Oder: „Demokratie braucht Ehrlichkeit. Klimakatastrophe, soziale Ungleichheit, Faschismus – es steht alles auf dem Spiel.“

Während ihres 24-Stunden-Protests haben Mitglieder der "Letzten Generation" ihre Zelte am Stachus aufgeschlagen. (Foto: Bernd Kastner)

Weil die Versammlung öffentlich beworben wurde, ist von Beginn an Polizei da und hat Verkehrsschilder parat: Ein Gesperrt-Schild an der Abzweigung der Prielmayerstraße, eines signalisiert auf der Sonnenstraße, dass nur Geradeaus-Fahren erlaubt ist. Die Verkehrsbehinderungen sind minimal.

Die Aktivisten kommen aus ganz Bayern. Simon Lachner, 26, sagt: „Wir wollen sichtbar sein und damit die Klimakatastrophe im Diskurs halten.“ Das Klima sei so wichtig, dass man das Versammlungsrecht nutzen wolle, ohne vorher langwierige Kooperationsgespräche mit der zuständigen Behörde zu führen. Man wolle an einem belebten Ort wie dem Stachus Passanten ein Gesprächsangebot machen und hoffe, dass neue Aktivisten hängen blieben. Noch immer seien es viel zu wenig Menschen, die sich fürs Klima engagierten.

Nach etwa einer Stunde bauen die Aktivisten einen Pavillon auf. Darunter entsteht aus Paletten ein provisorischer Tisch, an dem sie Picknick machen. Daneben sammeln sich Rucksäcke und Isomatten, sie richten sich für einen längeren Aufenthalt ein.

„Wir wissen, dass ziviler Ungehorsam funktioniert“, sagt Leonardo Jost über Lautsprecher. Inzwischen sei die Gesellschaft in einer Situation, in der dieser Ungehorsam nötig sei. „Unsere Politik handelt nicht, unsere Wirtschaft handelt nicht“, also sei Engagement nötig. Jost, 35, Sportwissenschaftler an der Uni Regensburg, gehört der „Letzten Generation“ und der Gruppe „Scientist Rebellion“ an, er trägt einen weißen Kittel. Die größte Hoffnung seien die Menschen, die sich gegen das Unrecht der Klimakrise kämpften, sagt er und ruft Passanten und seinen Mit-Aktivisten zu: „Ihr seid diese Hoffnung.“

Die Polizei war auf den Protest vorbereitet und hatte Sperren errichtet. Die Verkehrsbehinderungen blieben minimal. (Foto: Stephan Rumpf)
Leonardo Jost (rechts) Sportwissenschaftler an der Uni Regensburg, sagte in seiner Rede, dass der zivile Ungehorsam nun nötig sei. (Foto: Stephan Rumpf)

Ernst Hörmann, Rentner aus München und seit Anbeginn bei der „Letzten Generation“ dabei, sagt im Gespräch mit der SZ, dass es mehr Solidarität in der Klimabewegung brauche: „Jeder muss froh sein, dass es den anderen gibt.“ Er spielt auf Spannungen innerhalb der Klimabewegung an, viele der klassischen Aktivisten werfen der „Letzten Generation“ vor, durch ihre Blockadeaktionen der Akzeptanz von Klimapolitik geschadet zu haben.

Hörmann sagt, er selbst habe anfangs auch Fehler gemacht, indem er auf andere Gruppen herabgeschaut und gedacht habe: Wir können es besser als die anderen. Inzwischen gebe es einen informellen Zusammenschluss von rund 20 Klimagruppen in München, man treffe sich auch an diesem Wochenende wieder.

Einen echten gesellschaftlichen Wandel erwarte er inzwischen erst, wenn die Natur dem Menschen noch deutlicher zeige, dass es so nicht weitergehe. Eine Änderung des Lebensstils sei schwierig, solange allgegenwärtige Werbung den Menschen suggeriere, sie bräuchten immer mehr, um dazuzugehören. Erst wenn die Menschen den „Konsumschnuller“ weglegten, werde sich etwas ändern. Lebensfreude dürfe sich nicht auf Konsum stützen, sondern sollte auf das Glück bauen, zum Überleben der Kinder und Enkel beizutragen.

„Die Regierung muss handeln“

Sonntagmorgen, kurz nach acht. Einige Aktivisten unterbrechen ihr Frühstück für ein Gespräch. Etwa zwanzig Personen hätten die Nacht hier verbracht, erzählen sie, drei Zelte stehen auf der Fahrbahn. Sie hätten immer was zu reden gehabt, ihr Zeltlager liegt inmitten der „Feierbanane“, dem westlichen Altstadtring mit diversen Clubs. Schlaf zu finden sei nicht einfach gewesen, sagt Kathrin Rettinger, 26 und Studentin. Aber mit Noise-Cancelling-Kopfhörer und Musik sei es dann doch gegangen. Sie lacht. Derweil diskutiert ein Passant sehr engagiert mit anderen Aktivisten. Später kommen zwei junge Männer vorbei, offenbar alles andere als nüchtern, und bitten nachdrücklich um Stoff, einer reibt sich an der Nase und hofft, eine „Linie“ zu bekommen. Polizisten beobachten alles, gelassen und aus der Distanz.

Oft, erzählen die Aktivisten, seien sie von Passanten gefragt worden, wie sie zu politisch diskutierten Lösungen für die Klimakrise stünden, zur E-Mobilität zum Beispiel. Jonathan Pietsch, 32 und Umweltingenieur, dämpft die Erwartungen der Gesellschaft an die Aktivisten: Sie seien nicht dafür da, fertige Lösungen zu präsentieren. Vielmehr sähen sie ihre Aufgabe darin, zum Nachdenken anzuregen, das Klima-Thema auf der Agenda zu halten und die Politik zum Handeln zu bewegen. Selbst wenn jeder einzelne Mensch sich vorbildlich verhielten, hätte es nur verschwindend geringe Wirkung aufs Klima, sagt Kathrin Rettinger. Es brauche die Politik, um die großen Hebel umzulegen, sagt Bettina Schiebel, 33: „Die Regierung muss handeln.“

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