München:Lernziel: Menschen helfen

Beim "Sozialen Tag" helfen Siebtklässler der Fridtjof-Nansen-Realschule Erwachsenen bei der Arbeit. Das Geld, das sie dafür erhalten, spenden sie zwei Flüchtlingsprojekten in Syrien

Von Melanie Staudinger

Oskar und Helena haben sich einen ziemlich guten Tag ausgesucht, um in der Schule zu fehlen. Die Sonne strahlt über dem Englischen Garten, es ist heiß, im Klassenzimmer würde man eh nur schwitzen und viel verpassen von dem, was die schöne Stadt im Sommer zu bieten hat. Die Siebtklässler stehen am Eisbach, dort, wo sich die Surferelite Münchens trifft. Beide haben eine Spiegelreflexkamera in der Hand und knipsen fleißig: die Surfer in der Welle, eine Surferin mit Board, unterschiedliche Motive, unterschiedliche Perspektiven. Mit dabei ist der Fotograf Yves Krier, der Oskar und Helena an diesem Tag zeigt, was er in seinem Beruf alles so erlebt. Denn die beiden schwänzen freilich nicht die Schule. Sie sammeln Geld für Kinder, denen es nicht so gut geht wie ihnen selbst.

An der städtischen Fridtjof-Nansen-Realschule findet der "Soziale Tag" statt. Alle Schüler der siebten Klassen haben sich einen Arbeitgeber gesucht. Bei diesem helfen sie einen Tag lang aus, der Erwachsene wiederum spendet als Gegenleistung für die Unterstützung einen Betrag an zuvor ausgewählte soziale Projekte. "Es ist uns wichtig, dass unsere Schüler mit Kopf, Herz und Hand lernen", sagt Direktor Thomas Märkl. Schule solle nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch zeigen, welch hohen Wert ehrenamtliches Engagement habe. "Es ist wichtig, damit frühzeitig zu beginnen", sagt Märkl.

München: Oskar (links) und Helena fotografieren an der Surferwelle und bekommen von dem Profi Yves Krir einige Tipps.

Oskar (links) und Helena fotografieren an der Surferwelle und bekommen von dem Profi Yves Krir einige Tipps.

(Foto: Robert Haas)

Die Aktion "Sozialer Tag" findet bundesweit statt, 602 Schulen haben sich in diesem Jahr beteiligt. Sie hat eine lange Tradition mittlerweile. Anfang der Neunzigerjahre fand sich in Bad Kreuznach eine Schülergruppe zusammen, um Kindern und Jugendlichen, die unter dem Jugoslawienkrieg litten, zu helfen. 1994 entstand daraus der Verein "Schüler helfen Schüler". An der Fridtjof-Nansen-Realschule organisieren die Lehrer der Fachschaft Religion und Ethik den Tag. Unabhängig vom Glaube der Kinder lassen sich so Werte und deren praktische Anwendung vermitteln, sagt Lehrerin Cornelia Schwarzbauer. Im Schnitt 30 bis 40 Euro sammelt jedes Kind an dem Tag. Doch es geht um weit mehr als ein singuläres Ereignis. Zuerst müssen die Kinder sich eine Arbeitsstelle suchen - gar nicht so einfach für 13-Jährige, die noch nicht mal Ferienjobs haben und auch sonst außer ihrem Taschengeld kein Geld verdienen. Sie lernen, Betriebe anzusprechen, viele erfahren erstmals, wie sich so ein Arbeitstag anfühlt. "Und die Schüler sind sehr stolz auf ihr erstes selbst verdientes Geld", sagt Märkl. Und auch darauf, dass sie es sinnvoll weitergeben dürfen: In diesem Jahr unterstützt die Aktion ein Patenschaftsprojekt in Südserbien, in dem sich Jugendliche mit Fluchterfahrung gegenseitig unterstützen, und das Kinder- und Jugendzentrum "Al Shajara", das an der jordanisch-syrischen Grenze jungen Menschen einen sicheren Ort bietet.

"Uns ist wichtig, dass der soziale Tag keine Eintagsfliege ist", sagt Märkl. Nach dem Tag an sich reflektieren die Siebtklässler, was sie gemacht haben, wie lange sie unterwegs waren und wie sie sich dabei gefühlt haben. Ihnen solle so bewusst werden, warum sie sich engagierten, erklärt Lehrerin Schwarzbauer: "Damit das nicht einfach so verpufft." In der achten Klasse dann beschäftigen sich die Schüler im Religions- oder Ethikunterricht mit dem Thema Verantwortung und engagieren sich für ein halbes Jahr.

München: Bedienung für einen Tag: Der Schüler Vivian bringt Gästen des Cafés Daherkomma am Herkomerplatz Essen und Getränke an den Tisch.

Bedienung für einen Tag: Der Schüler Vivian bringt Gästen des Cafés Daherkomma am Herkomerplatz Essen und Getränke an den Tisch.

(Foto: Robert Haas)

Nun begleiten aber nicht alle Kinder gleich einen professionellen Fotografen wie Oskar und Helena. "Das ist schon Luxus", sagt Märkl. Mitschüler Vivian zum Beispiel hat im Café Daherkomma am Herkomerplatz beim Bedienen geholfen. Andere gehen für ältere Frauen zum Einkaufen, unterstützen in Kindergärten, Horten, Obstläden, am Abenteuerspielplatz und in Bäckereien. "Bei großen Betrieben tun sich unsere Kinder oft schwer", weiß der Direktor. Der soziale Tag sei dort oft schlicht nicht bekannt, es sei schwierig, einen Ansprechpartner zu finden. Deshalb hat die Schule nun einen Flyer für Arbeitgeber entworfen, den die Schüler bei ihrer Bewerbung in der Firma mit abgeben können. "Wir hatten noch nie Schüler, denen der soziale Tag gar nicht gefallen hat", sagt Märkl. Ein bisschen Abwechslung vom Schulalltag mögen eben die meisten - ob an der Eisbachwelle oder im Café, ist da fast schon Nebensache.

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