Explosionen, ein Einfamilienhaus in Flammen, zwei Tote, zwei Schwerverletzte, die in letzter Sekunde vor den Flammen gerettet wurden: Schreckliche Szenen haben sich am frühen Mittwochmorgen in der Lerchenau im Münchner Norden abgespielt. Doch die Gewalttat zog noch weitere Kreise. Das Festgelände des Münchner Oktoberfestes musste nach einer Bombendrohung gesperrt werden. Verantwortlich für all das soll ein Mann aus Starnberg sein. Er war am Morgen von der Polizei verfolgt worden und hatte die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Sterbend war er am frühen Morgen am Lerchenauer See aufgefunden worden. Die Wohn- und Geschäftsräume des 57-Jährigen in Starnberg wurden am Mittag von Spezialkräften der Polizei gestürmt.
Bei all dem mussten die Einsatzkräfte äußerst vorsichtig sein. Der Mann hatte das brennende Haus nämlich zuvor mit Sprengfallen versehen, ein weiterer bombenähnlicher Gegenstand wurde am frühen Nachmittag in der Nähe des einsturzgefährdeten Brandhauses entdeckt, offenbar unter einem Auto. Deshalb nahmen die Sicherheitsbehörden auch die Bombendrohung ernst, die der Mann in einer Art Abschiedsbrief gegen das Oktoberfest geäußert hatte, ehe er sich auf der Flucht vor der Polizei das Leben nahm. Der Tatverdächtige hatte nach Polizeiangaben vom Nachmittag einen Rucksack dabei, in dem sich ebenfalls eine Sprengvorrichtung befand, die zunächst entschärft werden musste.

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Zunächst mussten Experten für Sprengstoffentschärfung das Einfamilienhaus in der Glockenblumenstraße sichern. Das dauerte Stunden. Beim ersten Vorstoß um 4.51 Uhr waren die Drähte von Sprengfallen entdeckt worden – aber auch zwei Frauen. Eine von ihnen, die 21 Jahre alte Tochter des Tatverdächtigen, war im ersten Stock von den Flammen eingeschlossen. Sie drohte, aus dem Fenster zu springen. Ein Interventionsteam der Polizei rettete die junge Frau über eine Leiter.

Im Garten hatte sich die 81-jährige Mutter des Tatverdächtigen mit einer Schussverletzung versteckt. Beide wurden in Münchner Krankenhäuser gebracht. Eine Person galt als vermisst: der 90 Jahre alte Vater des Tatverdächtigen. Aufnahmen aus dem noch immer wegen großer Hitze nicht zu betretenden Haus zeigen eine verkohlte Leiche. In dem Anwesen hatten die Eltern des mutmaßlichen Täters gewohnt.
Die Polizei sprach schnell von einem „familiären Hintergrund“ der Tat. Nach einer blutigen Auseinandersetzung soll der Mann das Haus gezielt angezündet haben. Am Straßenrand im Bereich der Lerchenauer und der Dahlienstraße standen ausgebrannte Fahrzeuge, eines davon offenbar das Firmenfahrzeug des Handwerkers, ein roter Kleintransporter. Die Explosion einer ausgelösten Sprengvorrichtung hatte ihn zerstört.

Am Mittag und frühen Nachmittag war ein lauter Knall aus dem Haus zu hören: Die Bomben-Experten entschärften weitere Sprengfallen, die Geräusche gehörten zu den Entschärfungsmaßnahmen. Die Häuser in einem Radius von 200 Metern um das Anwesen wurden evakuiert. Etwa 700 Menschen waren davon betroffen. Die Feuerwehr richtete im Beruflichen Schulzentrum Nordhaide an der Schleißheimer Straße eine Akutbetreuungsstelle ein, in die etwa 80 Menschen kamen. Am Abend konnten die meisten Menschen in ihre Häuser zurückkehren. Weiterhin andernorts ausharren mussten aber die Bewohner der Glockenblumenstraße in unmittelbarer Nähe des Brandhauses.
Von dem Tatverdächtigen gebe es auch ein Schreiben mit einer Drohung gegen das Oktoberfest, gab Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwochmorgen während einer Stadtratssitzung bekannt. Die Theresienwiese bleibe deswegen bis mindestens 17 Uhr gesperrt. Spezialisten der Polizei suchten mit Sprengstoffhunden die zufahrtsbeschränkten Areale innerhalb der Sperrringe rund um das Festgelände ab. Am Nachmittag erklärte die Polizei die Absuche auf der Theresienwiese für abgeschlossen. „Die Gefahrensituation hat sich nicht bestätigt. Es besteht keine Gefahr.“ Das Oktoberfest könne um 17.30 Uhr wieder aufmachen.


Ein Sprecher der Münchner Polizei bezeichnete die Bombendrohung gegen das größte Volksfest der Welt als „unspezifisch“ und „nicht konkret“. Es gebe eine „verifizierte Sprengstoffdrohung“, sagte dagegen Reiter in der Vollversammlung im Stadtrat. „Wir können das Risiko nicht eingehen, das Oktoberfest zu eröffnen.“ Reiter bestätigte, dass die Sperrung im Zusammenhang mit der Explosion in der Lerchenau stehe. Der Oberbürgermeister bezog sich auf „einen Brief von dem Täter von heute früh“.
Die Drohung richte sich „nur gegen die Theresienwiese“, versicherte Reiter später auf Instagram. Eine in der ganzen Stadt verbreitete Meldung über die Handy-Warn-App Katwarn hatte bei vielen Münchnerinnen und Münchnern Ängste ausgelöst, auch andere Orte oder Veranstaltungen könnten gefährdet sein. Das sei nicht der Fall, so der Oberbürgermeister.


Um 7.44 Uhr, kurz vor Schulbeginn, meldete die Polizei, dass die etwa einen Kilometer Luftlinie vom Tatort entfernte Toni-Pfülf-Mittelschule für die Dauer des Einsatzes gesperrt bleibe. In der Nähe, am Lerchenauer See, war der mutmaßliche Täter gefunden worden. Die S-Bahnen der Linie 1 halten derzeit nicht in Feldmoching und in der Fasanerie. Zahlreiche Buslinien wurden gestrichen oder umgeleitet. „Es kommt zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen. Umfahren Sie den Bereich weiträumig“, teilte die Polizei auf X mit.
Am Mittag begann ein weiterer Einsatz der Polizei in der südlich von München gelegenen Kreisstadt Starnberg. Dort drang die Polizei am Mittag in die Wohnung des 57-Jährigen ein. Sie musste aus Sorge vor Sprengfallen dort aber ebenfalls äußerst vorsichtig vorgehen. Anwohner berichteten von drei lauten Knallgeräuschen – möglicherweise beim Aufsprengen der Wohnungstüre. Sprengsätze werden zum Glück nicht gefunden, wie die Polizei am Donnerstag mitteilt.
Zusätzliche Verunsicherung erzeugte am Morgen ein auf der Website indymedia.org veröffentlichtes, mittlerweile wieder gelöschtes angebliches „Bekennerschreiben“. Darin bezichtigte sich eine vermeintlich linke Gruppierung der Taten. Am frühen Nachmittag stellte die Polizei klar: Das Schreiben ist nicht echt, es ist das Werk von Trittbrettfahrern. Nahezu alle Angaben in dem zynischen, möglicherweise politisch motivierten Pamphlet waren nachweislich unzutreffend.
Hinweis der Redaktion: Über Selbsttötungen berichtet die Süddeutsche Zeitung nur in Ausnahmefällen und nach sorgfältiger Prüfung. Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge, anonym und kostenlos unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222. Außerdem ist über www.telefonseelsorge.de eine Online-Beratung möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen bietet die Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: www.suizidprophylaxe.de
