Kulturempfang:"Zuwendungsrichtlinie" an toskanischem Salat

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Anfangs heiter, erst später kam der Regen: Der Kulturempfang der Stadt München im malerischen Garten des Lenbachhauses. (Foto: Robert Haas)

Die gebeutelte Kulturszene will auch mal wieder richtig feiern - und tut dies im malerischen Garten des Lenbachhauses. Beim Empfang der Stadt für Menschen, die München mehr Farbe und den richtigen Ton geben, verarbeitet man ungewohnte Herausforderungen - und sinniert über "Denkpausen".

Von Ulrike Heidenreich

Endlich! Dieses Wort hat Oberbürgermeister Dieter Reiter in den vergangenen Wochen am meisten gehört. Endlich also wieder der Empfang für Münchner Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft - und ebenso staatstragend wie der Titel ist die Kulisse für diesen besonderen Abend nach zwei Jahren Pandemiepause. Durch den Garten im Lenbachhaus, der Villa des Malerfürsten Franz von Lenbach, huschen weißgewandete Menschen mit funkelnden Weingläsern, servieren Schüsselchen mit Toskanischem Panzanella-Salat oder Polpette vom Bio-Rind. Der Brunnen plätschert, wie es sich gehört, die Blumenbeete im italienischen Renaissance-Ensemble sind in aller Farbenpracht geschmückt, und auch die Gäste haben sich extra schön gemacht.

So groß scheint die Sehnsucht nach dem Auskosten eines feinen Gesellschaftsevents zu sein, endlich mal wieder, dass der Hausherr, der Direktor der städtischen Galerie Matthias Mühling, überpünktlich mit der Begrüßung beginnt und die Redner Reiter sowie Kulturreferent Anton Biebl ziemlich flott das Wesentliche zu Kunst und Kultur ansprechen. Schließlich, genau, wartet ja der traumhafte Garten draußen - und in geschlossenen Räumen wie dem Eingangsfoyer mag sich momentan niemand länger als nötig aufhalten. Beim gerade zu Ende gegangenen Filmfest hatten sich die Bühnenabsenzen wegen Covid-Infektionen zuletzt wieder gehäuft.

Womit man auch an diesem luftigen Sommerabend gleich beim Thema wäre. Mitten in dieser wirklich großen existenziellen Krise für Künstlerinnen und Künstler wollen alle augenscheinlich einfach mal durchschnaufen. Dass die Stadt hinter ihnen stehe, ist dem Oberbürgermeister wichtig: "Kultur ist keine Beigabe, sondern ein existenzieller Bestandteil der Demokratie. Wir haben in der vergangenen Zeit im Kulturbereich nicht gespart, sondern mehr ausgegeben." Angefangen vom "sensationellen HP8", der neuen Isarphilharmonie, dem Bau des Volkstheaters bis zum neuen Schwere Reiter. Zudem expandieren, das ist auch dem Kulturreferenten ein Herzensanliegen, die Münchner Volkshochschule, die Stadtbibliotheken, die Kulturzentren in den Stadtteilen - und dann gibt's da noch etliche neue Räume für die freie Szene, die gerade ganz besonders zu kämpfen hat.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (von links) traf beim Empfang auf Franz Herzog von Bayern und den Hausherrn des Lenbachhauses, Matthias Mühling. (Foto: Robert Haas)

Dass alles so pünktlich geklappt hat? "Da kann ich nichts dafür", feixt Reiter und verspricht, dass beispielsweise die Neukonzeption des Münchner Stadtmuseums früher fertig werde als die Zweite Stammstrecke. Oder, Seitenhieb auf Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), der den Kulturmenschen die "Denkpause" seines Chefs Markus Söder zum Konzerthaus irgendwie plausibel verkaufen muss: "Eine Denkpause ist o.k., wenn man sie zum Denken nutzt. Sie sollte aber nicht zu lange sein und zufälligerweise bis zum Spätherbst nächsten Jahres dauern." Zufälligerweise sind da bayerische Landtagswahlen.

Kulturreferent Biebl, der sich in den vergangenen zwei Jahren mit Wörtern wie Zuwendungsrichtlinie anfreunden, Insolvenzen verhindern und einfach nur "Kommunikation über das gemeinsame Verzweifeln" pflegen musste, findet in seiner Rede trotzdem noch zu Humor. Als mutmaßlich bei Wolfgang Heckl, dem Direktor des Deutschen Museums, das Handy im Jackett klingelt, fragt er: "Ein Sponsor fürs Bergwerk?" Schon jetzt wird das Museumsbergwerk, das im Rahmen der Generalsanierung geschlossen wird und dessen Fortbestand unsicher ist, von Groß und Klein schmerzlich vermisst.

Zuwendungsrichtlinie, Insolvenz. Ein Thema für viele Gäste. Zum Beispiel für Alexander Glöggler vom Münchner Percussion-Duo Double Drums, das bis zu den diversen Lockdowns weltweit Erfolge feierte, etwa in China mit der Li Biao Percussion Group. Und nun? "Keine Ahnung, wann wir je wieder nach China kommen", sagt er. Was ihnen geholfen hat? Das Musikstipendium der Stadt München, mit dem sie 2021 ausgezeichnet wurden. "Ohne diese Unterstützung hätten wir nicht weitergewusst."

An den Stehtischen und Bänken feiern viele den Sommer und das wieder etwas buntere Leben, von Kabarettist Christian Springer, den Bürgermeisterinnen Katrin Habenschaden (Grüne) und Verena Dietl (SPD), Daniel Sponsel vom Dok-Fest bis Bildhauer Corbinian Böhm. Auch am Tisch des Oberbürgermeisters mit Gästen wie Franz Herzog von Bayern oder Hildegard Kronawitter von der Weiße-Rose-Stiftung perlt der Rosé. Im Treppenhaus verweist ein Schild auf "Der Blaue Reiter, 2. OG". So weit geht es dann aber doch nicht.

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