Süddeutsche Zeitung

X-Bar:Noch immer ein Gegenentwurf zur Hochglanz-Stadt

In Schwabing musste die X-Bar der Gentrifizierung weichen, im Lehel hat sie nun wieder eröffnet. Und sie ist noch immer ein Ort, an dem man einfach ein Bier trinken kann.

Von Linus Freymark

Die Trauer war groß im vergangenen Sommer. Weil das Haus an der Clemensstraße 71, in dem seit mehr als 20 Jahren die X-Bar beheimatet war, den Besitzer wechselte und kernsaniert werden sollte, stand die Bar vor dem Aus. Alteingesessene Schwabinger und die Münchner Lokalpresse begleiteten die Schließung der X-Bar mit Abgesängen auf das Viertel und beklagten die Gentrifizierung und das Kneipensterben.

Nun hat die X-Bar in der Sternstraße 20 im Lehel wiedereröffnet, mit denselben Ledersofas wie in der Clemensstraße und derselben Beleuchtung, die die X-Bar in ein schummrig-gemütliches Rot taucht. Auch der Kicker hat den Umzug mitgemacht - und ist nun das Erste, was man beim Betreten der Bar sieht. Denn die neue Location ist zweigeschossig: Im Eingangsbereich im Erdgeschoss steht der Kicker, von dort führt eine Treppe nach unten in den eigentlichen Gastraum. Dort spielt sich das Geschehen hauptsächlich am und um den Tresen herum ab. Drinks gibt es nur an der Theke. Wer erwartet, auf seinem Sofaplatz bedient zu werden, ist hier fehl am Platz.

Manche Gäste, die auf den Barhockern am Tresen sitzen, kennen die X-Bar noch aus Schwabinger Zeiten, andere stammen aus der neuen Nachbarschaft. Und wie damals am Ende der Schwabinger Zeit drehen sich die Gespräche vor allem um die Schwierigkeiten, mit denen eine Kneipe wie die X-Bar in München konfrontiert ist: hohe Mieten, knappe Gastroflächen, strenge Auflagen der Behörden. "Das macht die Stadt kaputt", sagt Inhaber Frank Schmitt. Und auch seine Gäste machen sich Sorgen, dass es Orte wie die X-Bar irgendwann nicht mehr geben wird in München.

Denn die X-Bar ist der Gegenentwurf zu den Hochglanzbars, die es sonst in der Innenstadt gibt. Dabei ist die Bar keine Boazn, in der jeden Tag die gleichen Gestalten herumlungern, sondern vielmehr ein Treffpunkt für all diejenigen, die genug vom Schickimicki-München haben und einfach ein Bier trinken wollen: junge Kreative, ergraute Rocker, Studenten. Obendrein gibt es ungefähr alle zwei Wochen kleine Konzerte, bei denen die Bands ohne richtige Bühne einfach mitten im Raum auftreten. "Zwischen den Leuten spielen", nennt Schmitt diese Art von Auftritten. Bei normalem Barbetrieb dröhnt ein wilder Mix aus amerikanischer Barmusik aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren, Bob Marley und Rock aus den Boxen, alles vielleicht einen Tick lauter, als man es in einer Bar gern hätte - dafür bieten die Songs, von denen man doch den ein oder anderen wiedererkennt, immer ein Gesprächsthema.

Die Getränkepreise in der X-Bar liegen im Münchner Durchschnitt: Augustiner vom Fass für 3,70 Euro, Longdrinks kosten zwischen acht und zehn Euro. Schmitts Liebe gilt vor allem dem Single Malt, in einem Regal hinter der Bar steht eine große Auswahl an Whiskeys, das Stamperl je nach Sorte für zwei bis fünf Euro. Die Weinauswahl ist eher bescheiden, beim Weißwein muss man nehmen, was gerade da ist. Aber wer Wert auf hochwertige Drinks und ein durchgestyltes Ambiente legt, geht wohl eh nicht in die X-Bar.

Adresse: Sternstraße 20, 80358 München, Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 20 bis 3 Uhr, Donnerstag bis Samstag 20 bis 4 Uhr, www.x-bar-club.de

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Quelle:
SZ vom 15.01.2020/vewo
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