Süddeutsche Zeitung

Café Chance:Eine deutsch-vietnamesische Symbiose

Das Café Chance im Lehel besticht zunächst durch seine makellose Optik, entpuppt sich dann aber als sympathisches Nachbarschaftscafé mit Speisen und Getränken aus zwei Kulturen.

Von Janina Ventker

Es gibt oft zwei Arten von Menschen, heißt es. Typ Hund oder Katze zum Beispiel, Ketchup oder Mayo, Olivenliebhaber oder -hasser. In Zeiten von Instagram kommt noch eine neue Kategorie hinzu, in die sich die Menschen einteilen lassen. Sie betrifft das Verhalten beim Essengehen. Zumindest bei Großstadtmenschen, die bei Restaurants eine nahezu unbegrenzte Auswahl haben. Die einen gehen dahin, wo es ihnen schmeckt, das Interieur ist zweitrangig. Die anderen gehen dorthin, wo es schön aussieht. Schmecken sollte es im besten Fall auch, aber erst einmal soll das Auge satt werden - und die Smartphone-Kamera mit hübschen Bildern gefüttert.

Das neue Café Chance im Lehel ist eine Anlaufstelle vor allem für Typ zwei. Unmittelbar nach der Eröffnung im Juli hat es schon die ersten Blogger auf den Plan gerufen, weil die Einrichtung so schön dem Zeitgeist entspricht. Salbeigrüne Wände, dezente Mustertapete, helles Holz, Bambuslampen, Pflanzen auf Regalen: Wird man in 20 Jahren einen Film drehen, der in einem Lokal im Jahr 2019 spielt, man könnte das Café Chance nachbauen.

Was gibt es da und was kostet es?

Kulinarisch ist das Café recht übersichtlich aufgestellt - was daran liegt, dass in dem denkmalgeschützten Gebäude keine Vollküche zugelassen ist, die Betreiber also nicht groß aufkochen können. Auf einer Tafel stehen jeweils eine Handvoll Frühstücks- und Mittagsoptionen sowie die Kaffeespezialitäten des Hauses. Das Besondere: Die Gerichte speisen sich aus zwei Kulturen - das Frühstück klassisch deutsch, das Mittagessen vietnamesisch. Die beiden Betreiber und Neu-Gastronomen, Sozialpädagogin Thao Nguyen (30) und Maschinenbauer Khoa Tran (33), stammen aus Hessen und haben vietnamesische Wurzeln. Bei ihrem gemeinsamen Café hat sich daraus natürlicherweise eine kulinarische Symbiose aus beiden Welten ergeben. "Bei den Vietnamesen gibt es aber auch meist nur Suppe zum Frühstück", sagt Nguyen und lacht. "Da wollten wir unseren Gästen lieber Brot anbieten."

Das üppig belegte Bauernbrot mit Frischkäse, Rucola und zwei Spieleiern kostet vertretbare 6,80 Euro, mit Avocado 7,20 Euro. Ein Buttercroissant mit Butter und Marmelade etwa gibt es schon für 2,90 Euro. Der Kaffee kommt von der Rösterei Dinzler (Cappuccino 3,50 Euro). Wer mag, probiert den vietnamesischen Eiskaffee mit dem netten Namen "Ca Phe Sua Da". Das Glas kommt mit einem aufgesetzten Filter an den Tisch, dem Kaffee kann man dabei zusehen, wie er auf die Kondensmilch am Tassenboden tröpfelt. Wenn der Kaffee durchgelaufen ist, gibt man mit der Zange ein paar Eiswürfel aus einem Schüsselchen dazu. Ein unbedarfter Gast schüttete jüngst aus Gewohnheit noch Zucker obendrauf - und verzog anschließend das Gesicht angesichts der Süße. Seitdem spricht Thao Nguyen vor dem Genuss stets eine Warnung aus: Achtung, die Kondensmilch ist schon gezuckert!

Mittags verköstigen Nguyen und Tran ihre Gäste mit vietnamesischen Baguettes, sogenannten Banh Mis. Sie sind belegt mit hausgemachter Mayonnaise, eingelegtem süßsauren Gemüse und wahlweise mit mariniertem Schweinefleisch, Pute oder vegetarisch zu haben (ab 6,30 Euro). Das Fleisch kommt von einer Metgerei im Lehel. Generell versuchen die beiden Inhaber alle Produkte möglichst regional zu beziehen. Auch vietnamesisch angehauchte Salate (6,90 Euro), etwa mit Mango, stehen mittags zur Auswahl. Bald sollen noch Tagessuppen hinzukommen. Außerdem gibt es feine Kuchen, die täglich frisch von der Münchner Zimtschneckenfabrik geliefert werden.

Wer geht da hin?

Vorher befand sich an selber Stelle bereits lange Jahre ein Café (das "Immersatt"). Nach und nach wagen sich nun auch ehemalige Stammgäste des Vorgängers ins Café Chance. Morgens sitzt eine ältere Dame auf der gemütlichen Bank und genießt zur Zeitungslektüre einen Espresso, mittags kommen junge Anzugträger, Typ Unternehmensberater, aus den umliegenden Büros und nehmen sich Sandwiches mit. Die Betreiber sind auf Gäste aus dem Viertel angewiesen, da das Café doch einigermaßen versteckt liegt, in einer ruhigen Seitenstraße. Aber wie gut, dass es Instagram gibt, denn so finden auch die Blogger und Typ-zwei-Kulinariker ihren Weg hierher.

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