Lehel:"Wir haben hier alles - außer Parkplätze"

Lehel: Alle Verkehrsteilnehmer beanspruchen Platz für sich. Darum geht es gerade in der Adelgundenstraße, die links in die Thierschstraße einmündet.

Alle Verkehrsteilnehmer beanspruchen Platz für sich. Darum geht es gerade in der Adelgundenstraße, die links in die Thierschstraße einmündet.

(Foto: Robert Haas)
  • Im Gebiet zwischen Lukaskirche und Altstadtring geraten nun Alteingesessene mit und junge Familien ohne Auto aneinander.
  • Ein Architekt hatte die Idee, wie sich die von Norden kommende, auf dem Schlussstück zur Thierschstraße 20 Meter breite Adelgundenstraße zu einem kleinen Anwohnerplatz umgestalten ließe.
  • Zwar finden viele Nachbarn den Vorschlag gut, doch viele andere sorgen sich wegen der dann fehlenden Parkplätze.

Von Julian Raff

Aus Pragmatismus, Sparsamkeit oder Überzeugung verzichten viele Münchner im Zentrum inzwischen aufs eigene Auto, allerdings längst nicht so viele, dass die verbleibenden Pkw-Besitzer nun alle wüssten, wo sie parken sollen. Die Kontroverse um Stellplätze trennt politische Lager, manchmal spaltet sie auch Nachbarschaften. Im Gebiet zwischen Lukaskirche und Altstadtring geraten nun Alteingesessene mit und junge Familien ohne Auto aneinander. Der Disput dreht sich um die mögliche Verkehrsberuhigung eines gerade mal 40 Meter langen Straßenabschnitts und erinnert an Diskussionen um "Parklets" in der Schwanthalerhöhe oder um die Beruhigung des Alpenplatzes in Obergiesing.

Ende vergangenen Jahres hatte Architekt Christian Goldbach, der mit seiner Familie an der Mannhardtstraße wohnt, ein selbst entworfenes Konzept vorgestellt, nach dem sich die von Norden kommende, auf dem Schlussstück zur Thierschstraße 20 Meter breite Adelgundenstraße zu einem kleinen Anwohnerplatz umgestalten ließe. Würde die Straße, wie bisher schon im Norden, auch hier als Einbahnstraße ausgewiesen, ließe sie sich auf einen Fahrstreifen verengen. So entstünde Raum für Sitzgelegenheiten, Bäume, Hochbeete, eine Tischtennisplatte oder einen Bücherschrank.

In die Januar-Sitzung des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel hatte Goldbach ein Modell mitgebracht, das nun mit Prüfauftrag im Planungsreferat steht. Wie auch beim vorangegangenen Ortstermin zeigte sich der BA angetan. Auch sonst schien der Zuspruch zunächst ungeteilt, ehe in der jüngsten Sitzung Protest laut wurde. Im Zuge der Umgestaltung fielen wohl mindestens sechs Stellplätze weg. BA, Behördenvertreter und die Nachbargruppe um Goldbach hatten sich vorerst darauf geeinigt, lediglich vier in Richtung Thierschstraße gelegene Parkplätze mit Elektroladesäulen zu erhalten.

Andere Anwohner fühlen sich nun überrumpelt: "Wir haben hier alles - außer Parkplätze", fasste Günter Thiemann den aus seiner Sicht erhaltenswerten Ist-Zustand zusammen - im Namen der anwesenden Nachbarn und hundert weiterer, die gegen das Projekt unterschrieben hatten. Ruhe, reichlich Grün und Sportmöglichkeiten für Jugendliche fänden sich, wenige Schritte entfernt, auf der Praterinsel, so Thiemann, da brauche es keinen Mini-Park vor der Haustür. Zum besonnenen Sprecher der Gegeninitiative wurde Thiemann quasi ad hoc in der Sitzung, nachdem einige seiner Nachbarn ihren Zorn nur mühsam im Zaum hatten halten können. Dabei wurde deutlich, dass einzelne Nachbarn neue Aufenthaltsmöglichkeiten auch wegen unerwünschter Klientel ablehnen, was Thiemann aber nicht unbedingt im Mittelpunkt der Argumentation sehen möchte. Zentral gehe es um die Stellflächen, nicht nur für die Anwohner-Pkw, sondern auch für Liefer-, Paket- und vor allem Pflegedienste. BA-Verkehrsexperte Jürgen-Peter Pinck (SPD) schlägt einen runden Tisch in der Unterausschuss-Sitzung am 10. März vor, mit maximal drei Vertretern jeder Interessengruppe.

"Eine super Idee" und "mehr, als wir uns erhofft haben", findet Goldbach, selbst im jüngsten BA nicht anwesend und von der Gegeninitiative seinerseits überrascht. An vernünftigen Argumenten für seinen Plan werde es nicht fehlen, so der Initiator zur SZ. Im Lehel seien nun einmal viele Familien mit Kindern, aber ohne Pkw zugezogen, die sich zum Beispiel mit Fahrradanhängern schwer täten in den zugeparkten Straßen. Wirklich nahe Spielflächen für Kinder gebe es nicht mehr, da der kleine Park an der Lukaskirche demnächst für mindestens zehn Jahre zum Baustellenlager für eine Sanierung des Kirchturms wird.

Natürlich sei autofreies Wohnen nichts für jeden. Er selbst habe es mit dem Radl acht Minuten zur Arbeit, sagt Goldbach. "So viel Glück hat nicht jeder." Wer aber im Lehel ein Auto brauche, der könne sich zum Beispiel einen von voraussichtlich mehr als 250 Anwohner-Dauerparkplätzen in der neuen Tiefgarage am Thomas-Wimmer-Ring sichern. Ein Recht auf billiges oberirdisches Dauerparken sieht Goldbach auch durch die Parklizenz nicht gewährt. Hier herrsche jedenfalls eher eine jeweils "unterschiedliche Denkweise" als unversöhnliche Gegnerschaft.

Verkehrsexperte Pinck ist sich noch nicht sicher, ob der runde Tisch derart konziliant ablaufen wird. Der Kommunalwahlkampf wird jedenfalls keine große Rolle spielen: Das BA-Plenum kann erst am 17. März, dem Dienstag nach dem Urnengang, eine neue Stellungnahme in Richtung Planungsreferat verabschieden.

Zur SZ-Startseite

Umgestaltung
:Mehr Platz für Fußgänger und Radler, weniger für Autos

Die Stadt investiert mehrere Millionen Euro, um fünf trostlose Plätze aufzuhübschen. Schon im Herbst sollen die ersten Arbeiten fertig sein.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: