Emissionen und Ernährung:Wie klimaneutral ist München 2035?

Landwirtschaft in Deutschland, 2014

Die meisten Nahrungsmittel für München werden auf Äckern außerhalb der Stadt angebaut.

(Foto: Allessandra Schellnegger)

Der Stadtrat will München in 14 Jahren klimaneutral machen. Doch was heißt das genau? Die Treibhausgase etwa, die bei der Produktion von Lebensmitteln für die Stadt entstehen, tauchen nicht in den hiesigen CO₂-Rechnungen auf.

Von Jakob Wetzel

Das Ziel ist ambitioniert. Ende 2019 hat der Münchner Stadtrat entschieden, dass das ganze Stadtgebiet bis 2035 klimaneutral werden soll. Neutral sein bedeutet: München dürfte dann zwar weiterhin Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid ausstoßen, aber rund 95 Prozent weniger als zuletzt. Die Zielmarke liegt bei 0,3 Tonnen CO₂ im Jahr, gerechnet pro Münchnerin und Münchner; diese Emissionen sollen dann kompensiert werden. Aktuell - die jüngsten Daten stammen von 2017 - liegt der Pro-Kopf-Wert bei 5,9 Tonnen.

Ob und wie es gelingen kann, die Emissionen so schnell und so weit zu senken, diese Fragen soll ein Fachgutachten klären, das derzeit entsteht. Bisher ist vor allem klar, wo die Treibhausgase entstehen. Handel, Gewerbe und Industrie etwa sind für etwa die Hälfte verantwortlich, der Verkehr für nicht ganz ein Fünftel. Die privaten Haushalte tragen knapp 30 Prozent zu Münchens Treibhausgas-Ausstoß bei; berücksichtigt sind hierbei die "endenergiebedingten Emissionen" etwa für Strom und Heizung. Aber was ist mit dem Essen?

Es ist vor allem eins: kompliziert. Denn von dem, was in München auf den Teller kommt, wird kaum etwas in der Stadt produziert. Ein völlig willkürliches Beispiel ist der Zucker, mit dem die Münchnerinnen und Münchner ihren Kaffee süßen. Der stammt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus einer Fabrik in Plattling, und die Zuckerrüben sind vielleicht in einem Acker im Gäuboden gewachsen. Was beim Anbau und bei der Produktion an Treibhausgasen entstanden ist, taucht womöglich in einer Plattlinger oder Straubinger Klima-Bilanz auf, in der Münchner Statistik aber nicht.

Wie auch? Es ist ja kaum zuzuordnen. Fast alle Städte bilanzieren ihre Emissionen nach dem Territorialprinzip. Doch das heißt: Selbst wenn es der Stadt München gelingen sollte, bis 2035 klimaneutral zu werden, folgt daraus noch nicht unbedingt, dass die Münchner auch wirklich klimaneutral leben. Ein Teil dessen, was wegen und für München emittiert wird, wird anderswo registriert und fällt aus der Münchner Rechnung heraus.

Wie groß dieser Teil ist, lässt sich nur überschlagen. Dem Umweltbundesamt zufolge beträgt der Anteil der Ernährung am CO₂-Fußabdruck der Deutschen insgesamt etwa 15 Prozent. Die Stadt München wollte es zuletzt genauer wissen. Sie ließ die Münchner Beratungsfirma "Sustainable" eine erste erweiterte Bilanz erstellen, in der auch Emissionen berücksichtigt werden sollten, die außerhalb Münchens entstehen, etwa in Betrieben der Stadt wie dem Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring oder auch am Münchner Flughafen, an dem die Stadt beteiligt ist.

Die Berater sahen sich dabei auch an, wofür die Münchner ihr Geld ausgeben. Am Ende berechneten sie, dass die Münchner, Stand 2017, alleine für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" jährlich pro Kopf für knapp 4,3 Tonnen CO₂-Ausstoß verantwortlich waren. Sie betonten freilich: Werte wie diesen könne man nicht zur bisherigen Bilanz addieren, manches werde sonst doppelt gezählt. Es gehe nur um eine Größenordnung. Es geht bei der Ernährung demnach um erkleckliche Mengen Treibhausgas. Entsprechend groß ist der Handlungsbedarf - oder auch: das Potenzial - für den Klimaschutz. Auch wenn davon in der städtischen Treibhausgas-Bilanz am Ende nichts zu lesen ist.

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