Bahnt sich da eine Sensation an? Es ist 19.59 Uhr, als München in zwei Teile zerfällt: einen kleinen schwarzen Teil und einen richtig großen grünen. Bei der Landtagswahl sind 128 der 954 Münchner Wahlgebiete ausgezählt, und es steht 7:2. Werden die Grünen wirklich sieben Direktmandate holen und die CSU nur zwei? Und die SPD, die in München vor fünf Jahren den einzigen roten Punkt auf einer ansonsten komplett schwarzen Bayern-Karte setzte, wird sie dieses Mal wirklich leer ausgehen?
"München, ich liebe dich", entfährt es Marcel Rohrlack, dem Vorsitzenden der Grünen Jugend, als das Kreisverwaltungsreferat die ersten Zahlen veröffentlicht. Dabei hatte die Forschungsgruppe Wahlen im ZDF so etwas ähnliches schon angedeutet. Acht Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern gibt es in Bayern: München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Würzburg, Ingolstadt, Erlangen und Fürth. In all diesen Städten würden die Grünen stärkste Partei werden, hieß es.
Grüne feiern nach Landtagswahl:"Ein historisches Ereignis"
Mit ihrem zweistelligen Ergebnis landen die Grünen auf Platz zwei. Dass die CSU bei der Koalitionsbildung nicht auf sie angewiesen ist, stört da wenig - im Gegenteil.
Knapp 32 Prozent der Erst- und Zweitstimmen, damit führt die Partei in München zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale mit weitem Abstand. Die CSU bringt es in der Summe auf knapp 24 Prozent, die SPD gerade einmal auf etwas mehr als die Hälfte davon.
Bei den Grünen ist die Freude entsprechend groß. Es gebe "keine gesellschaftliche Mehrheit mehr für Schwarz-Rot", stellt Fraktionschef Florian Roth fest. Die Grünen seien auf dem Weg zur stärksten Kraft, "das Erdbeben wird auch das Rathaus erreichen". Die Sozialdemokraten würden wohl kaum mit der CSU weiter niedergehen wollen, stänkert Roth. Sollten sie aber im Rathaus nun mit wechselnden Mehrheiten arbeiten wollen, stünde seine Partei zur Verfügung.
Ginge es übrigens allein nach den Münchner Wählern, zögen - anders als es die landesweiten Zahlen um diese Zeit erwarten lassen - sieben Parteien ins Maximilianeum ein, auch die Linken wären knapp drin, und die FDP wäre sogar stärker als AfD und Freie Wähler.
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Ob das alles so bleibt? Den Wahlhelfern und auch den Parteien steht ein langer Abend bevor. Ab und zu flackern Teile des Stadtplans zwischen Schwarz und Grün hin und her. Zwischendurch sind vier Stimmbezirke schwarz, dann wieder nur noch drei. Hier und da liegen die Bewerber halt doch recht nah beieinander, zumindest was die Zahl der Wählerstimmen angeht.
Einer aber hat seinen Sieg da schon so gut wie sicher in der Tasche: Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat der Grünen und Gegner von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im TV-Duell des Bayerischen Fernsehens. Um 20.39 Uhr ist der Stimmkreis München-Mitte zu mehr als der Hälfte ausgezählt, und Hartmann liegt mit 45,2 Prozent der Erststimmen vorne. Das sind mehr Stimmen als die Kandidaten von CSU, SPD, FDP und Linken gemeinsam bekommen haben.
Wie viele Landtags-Mandate es am Ende insgesamt auch sein werden: Müsste man einen Sieger für die ausgelassenste Feier ermittelt, wären das auf jeden Fall die Grünen. Bundesparteichef Robert Habeck und der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Ludwig Hartmann, sprangen bei der Wahlparty in München kopfüber von der Bühne und ließen sich auf ausgestreckten Händen einige Meter durch den Saal tragen.