Landtagswahl in München:Werden Wahlplakate gezielt beschädigt?

Lesezeit: 3 Min.

Zerstörte und abgerissene Plakate, hier von der SPD, sieht man in diesem Wahlkampf besonders häufig. SPD, Grüne und AfD stellen eine besondere Zerstörungswut fest. (Foto: Robert Haas)

Fast alle Parteien stellen in diesem Jahr eine besondere Zerstörungswut fest. Nur eine meint: Bei der vergangenen Wahl war es noch schlimmer - und manche mutmaßen, dass die Taten systematisch organisiert sein könnten.

Von Heiner Effern

Der Vize-Präsident des Landtags gehört zu den Kandidaten, die viele ihrer Plakate selbst an die Ständer kleben. Markus Rinderspacher (SPD) schätzt, dass er in diesem Wahlkampf etwa 1000 Mal in seinem Stimmkreis Ramersdorf den Kleister aufgetragen und das Motiv angebracht hat. Doch was danach passiert, hat er in dieser Schärfe noch nicht erlebt. "In keinem Wahlkampf zuvor wurde mit so großer Zerstörungswut und gezielten Attacken unser Parteieigentum beschädigt wie in diesem. In manchen Nächten gehen der oder die Täter oder Täterinnen gezielt Plakatständer Straßenzug um Straßenzug im Stadtviertel ab, um die Plakate abzureißen."

Doch das ist noch nicht alles, manche gehen weiter. "Immer wieder werden auch Holzplatten eingetreten und Metallständer mutwillig mit Tritten zerstört", erklärt Rinderspacher. Für ihn handelt es sich längst nicht mehr um zufälligen Vandalismus. "Es besteht für mich kein Zweifel, dass es sich nicht etwa um Dumme-Jungen-Streiche handelt, sondern um planmäßig durchgeführte gezielte Zerstörungen in politischer Absicht", sagt er. Allein bei ihm im Stimmkreis gehe der finanzielle Schaden in die Tausende.

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Was der Landtags-Vize Rinderspacher erlebt, stellen seine Partei, die Grünen und die AfD grundsätzlich fest: Die Zerstörungswut und Aggression gegen ihre Wahlwerbung ist in diesem Wahlkampf besonders groß. Die FDP und die Freien Wähler sprechen von einem leichten Anstieg der Schäden. Die CSU wiederum berichtet, dass die Übergriffe auf ihre Wahlwerbung vor fünf Jahren heftiger gewesen seien. "Die Schäden im Landtagswahlkampf 2023 bleiben hinter diesen erheblichen Sachbeschädigungen deutlich zurück", erklärte ein Sprecher. Damals hatte die CSU nach Äußerungen ihrer Parteispitze zum Thema Asyl mit einer besonders aufgeheizten Stimmung zu kämpfen.

Die Grünen mussten in diesem Sommer sogar erleben, dass eine ihrer ehrenamtlichen Plakat-Kleberinnen in Riem von einer Frau mit Essigsäure angegriffen wurde. Die Wahlkampf-Helferin konnte gerade noch ausweichen. Dazu verzeichnet die Umweltpartei 50 Prozent mehr Angriffe auf Wahlwerbung im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Auch damals mussten die Grünen zwar beschädigte Plakate nachkleben, "jedoch nicht in dieser extremen Häufigkeit viele einfach komplett neu" anbringen, erklärte ein Sprecher.

Die Abgeordneten Benjamin Adjei (Stimmkreis Moosach) und Gülseren Demirel (Giesing) wurden zudem auf Plakaten rassistisch beleidigt und angefeindet. In solchen Fällen erstatten die Grünen Strafanzeige. Bei sonstigen Schmierereien dagegen eher nicht, weil Täter oder Täterinnen ohnehin fast nie gefasst würden. Etwa 70 Prozent der Schäden gehen auf das Abreißen von Plakaten zurück. "Es gibt Standorte, wo sich die Plakatierenden einen Kampf mit einzelnen Vandalierenden liefern, die müssen täglich neu gemacht werden", heißt es bei den Grünen. "Im Schnitt fast zweimal die Woche." Auffällig häufig betroffen sei die Spitzenkandidatin Katharina Schulze.

Bei der vergangenen Wahl war es noch schlimmer, heißt es bei der CSU. Aber auch in diesem Wahlkampf werden Plakate zerrissen oder zerstört. (Foto: Robert Haas)
Auch dieses Plakat der FDP machte wohl jemanden wütend. (Foto: Robert Haas)
In diesem Fall ist kaum mehr zu erkennen, dass hier die AfD Wahlwerbung macht. (Foto: Robert Haas)
Die Grünen kleben regelmäßig Plakate nach, im Schnitt zwei Mal die Woche. (Foto: Robert Haas)
Die Freien Wähler verzeichnen einen leichten Anstieg der Beschädigungen. (Foto: Robert Haas)

Auch die AfD beobachtet, "dass sich in diesem Wahlkampf die Zerstörung unserer Plakate noch schlimmer ausnimmt als in den vorangegangenen". Das erklärte Stadtrat Markus Walbrunn, der sich als Direktkandidat in Pasing bewirbt. Am Freitag und Samstag würde nicht mehr geklebt, weil die Plakate sonst keinen Tag überstehen würden. Innerhalb von 72 Stunden seien 80 bis 90 Prozent beschädigt. Über die vier Münchner Kreisverbände hinweg ist der Schaden laut Walbrunn fünfstellig.

Weniger auffällig zeigt sich die Lage bei FDP und Freien Wählern. "Wir verzeichnen deutlich mehr Schäden als 2021, haben aber auch mehr Plakate aufgestellt. Relativ dazu hat die Schadensquote allenfalls leicht zugenommen", sagt der FDP-Stadtvorsitzende Michael Ruoff, der in Bogenhausen als Direktkandidat antritt. Die Freien Wähler haben den Eindruck, dass die Zahl der beschädigten Plakate leicht ansteigt. "Meist sind Plakate beschmiert oder eingetreten, manchmal auch ganz abgebaut beziehungsweise verschwunden", erklärte ein Sprecher. Häufig käme das an wenig einsehbaren Stellen vor, "wo nachts wenig Licht hinfällt".

Das Polizei könne wegen fehlender Daten keinen Vergleich zur vergangenen Landtagswahl ziehen, sagte eine Sprecherin. In diesem Jahr habe das Münchner Präsidium 65 politisch motivierte Straftaten, die sich gegen Wahlplakate richteten, registriert. Die Zahl könne sich jedoch noch deutlich erhöhen, wenn die Parteien bis zum Ende des Wahlkampfes oder erst danach neue Fälle meldeten.

Über die Gründe für den Vandalismus herrschen unterschiedliche Meinungen. Die SPD nennt die allgemeine politische Lage, Krisen und auch "eine verstärkte Polarisierung der Gesellschaft". Auch die Freien Wähler führen "die zunehmende gesellschaftliche Spaltung und die damit einhergehende Verrohung des Diskurses" an. FDP-Stadtchef Ruoff stellt eine schwindende Toleranz fest. "Offenbar hat ein wachsender Teil der Bevölkerung ein Problem mit der Meinung anderer." Und die Grünen sehen "die Verschärfung des Umgangstons im Wahlkampf" als Ursache solcher Taten.

Dazu mutmaßen einige Parteien, dass die Übergriffe systematisch organisiert sein könnten. "Es kursieren auch Anleitungen linksgerichteter Gruppen zur gezielten Zerstörung von Wahlplakaten der AfD, die zur Folge haben, dass die Zerstörung von Wahlplakaten allgemein als Mittel im demokratischen Meinungsstreit legitim erscheint", sagt etwa der Liberale Ruoff. Auch die AfD vermutet "ein durchaus strukturiertes Vorgehen von Gruppen".

Die Grünen nehmen an, dass auch die lange Zeit der erlaubten Plakatierung zu Übergriffen führen könnte. "Ein gewisser Überdruss der Menschen begünstigt die Verschandelung der Plakate", sagte der Sprecher. "Je mehr Zerstörung zu sehen ist, desto mehr Nachahmer werden dadurch hervorgerufen." Der Münchner CSU-Chef und bayerische Justizminister Georg Eisenreich erinnert daran, dass solche Attacken keine Kavaliersdelikte seien. "Beschmierungen und Zerstörungen zum Beispiel von Plakaten sind respektlos und auch strafbar."

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