Prozess:Straftaten aus dem Gedächtnis verschwunden

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Die Taten seien ihrem Mandanten "von seiner Persönlichkeit fremd", sagt die Anwältin von David T. (Foto: dpa)

Vor dem Landgericht muss sich David T. wegen zweier Vergewaltigungen verantworten. Doch er kann sich an nichts erinnern, sagt er - er habe einen Joint geraucht und war betrunken.

Von Andreas Salch

"Ich bin nur noch gerannt. Gerannt, gerannt", sagt David T. Es ist die Nacht auf den 5. Januar vergangenen Jahres. David T. besuchte das Kulturzentrum Backstage. Er tanzte, trank Bier und zog sechsmal an einem Joint eines Mannes, den er nicht gekannt habe. "Von da an war ich durch", berichtet der 44-Jährige am Montag vor dem Landgericht München I. David T. muss sich jedoch nicht wegen eines Drogendeliktes vor der 12. Strafkammer verantworten, sondern wegen zweier Vergewaltigungen.

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Gegen 7 Uhr an jenem 5. Januar 2019 überwältige T. laut Anklage der Staatsanwaltschaft in der Nähe des S-Bahnstation Trudering zunächst einen Friseur. Er hielt ihm Mund und Augen zu und zog ihn in ein Gebüsch. Dort wollte er sein Opfer vergewaltigen. Als diesem bewusst wurde, dass ihn der Angreifer für eine Frau hielt, schrie er ihn an: "Ich bin ein Mann!" David T. griff dem 54-Jährigen daraufhin in den Schritt. Dann rannte er weg.

Nicht einmal 30 Minuten später beobachtete er eine Frau, die am Bahnhof Trudering aus einem Bus stieg. Sie lief durch eine Unterführung. David T. folgte ihr, sprach sie an, fragte sie, ob sie Feuer habe. Die Frau verneinte. In diesem Augenblick soll er die Frau gepackt und eine Böschung am Ausgang der Unterführung hinuntergeschleudert haben.

Die 44-Jährige fiel auf den Rücken, schrie um Hilfe. Doch sie hatte keine Chance gegen den muskulösen, breitschultrigen Angeklagten. David T. zog der Frau die Kapuze ihrer Jacke über das Gesicht und schlug ihr mit der Faust auf den Kopf und ins Gesicht. Danach entkleidete er sie teilweise und verging sich an ihr. Das Opfer erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma.

Zum Auftakt des Prozesses erklärte die Verteidigerin von David T., Rechtsanwältin Birgit Schwerdt, für ihren Mandanten, dass dieser nicht zur Klärung des Sachverhalts beitragen könne, "weil er keine Erinnerung" habe und das "trotz intensiven Bemühens, sich die Geschehnisse ins Gedächtnis zu rufen." Beide Taten seien ihrem Mandanten "von seiner Persönlichkeit fremd." Er könne sie sich selbst nicht erklären. Ursache für die Amnesie soll der Joint im Backstage gewesen sein. Nachdem er, so T., am Joint des Unbekannten, der sich ihm als "Ali die Cobra" vorstellte, gezogen habe, könne er sich an nichts mehr erinnern.

David T. wird nach seiner Flucht aus Afrika 2016 im Isar-Amper-Klinikum in Haar wegen einer Depression und einem Trauma ambulant behandelt. "Ich habe Familienmitglieder im Mittelmeer ertrinken sehen", sagte T. vor Gericht. Um zu vergessen, rauche er Gras und trinke Bier. Vor den beiden Übergriffen in Trudering sollen es knapp zwanzig Flaschen gewesen sein. Ein Urteil in dem Prozess wird noch in dieser Woche erwartet.

In der Regel berichtet die SZ nicht über ethnische, religiöse oder nationale Zugehörigkeiten mutmaßlicher Straftäter. Wir weichen nur bei begründetem öffentlichen Interesse von dieser im Pressekodex vereinbarten Linie ab. Wir entscheiden dies im Einzelfall.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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