Süddeutsche Zeitung

Prozess:Vater soll Töchter missbraucht, vergewaltigt und geschlagen haben

Lesezeit: 3 min

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 43-Jährigen mehr als 200 Vergehen vor. Der Angeklagte weist die Anschuldigungen zurück - mit großen Worten.

Von Susi Wimmer

"Sollte das die Wahrheit sein, dann bin ich bereit zu unterschreiben, dass ich zum Tode verurteilt werde", verkündet Xhemajl B. theatralisch. Die Taten, die dem 43 Jahre alten Mann vor dem Landgericht München I vorgeworfen werden, sind tatsächlich besonders massiv: B. soll drei seiner Töchter jahrelang sexuell missbraucht, vergewaltigt, bei Gegenwehr zum Teil geschlagen und einmal mit dem Messer zugestochen haben. Xhemajl B. beteuert seine Unschuld und ist sich gleichzeitig sicher, dass ein jahrelanger Sorgerechtsstreit mit seiner Ex der Grund für die Anschuldigungen ist: "Sie will mich nur einsperren lassen."

"Ich begrüße alle Prozessbeteiligten. Ich bin ganz offen. Ich werde Ihnen alles schildern", so beginnt der Angeklagte vor der Jugendschutzkammer. Er sei die ganze Zeit verprügelt worden von seiner Frau. Die Vorwürfe würden alle nicht stimmen. Er sei ein strenger Vater, was die Schule und den Umgang mit Drogen angehe. Aber: "Ich bin doch nicht pervers." Die Staatsanwaltschaft allerdings kommt nach ihren Ermittlungen zu dem Schluss, dass Xhemajl B. drei seiner insgesamt neun Kinder missbraucht hat. Sie wirft ihm unter anderem sexuelle Nötigung in 220 Fällen, sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen, 22 Vergewaltigungen sowie schweren sexuellen Missbrauch von Kindern vor. So soll er eine Tochter ab dem Jahr 2013, das Kind war zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt, in etlichen Fällen missbraucht und sich massiv an ihr vergangen haben. Das Mädchen habe versucht, den Angeklagten wegzustoßen, so heißt es in der Anklageschrift. Aber der Vater habe ihr jeweils mit der Hand oder der Faust ins Gesicht oder gegen den Kopf geschlagen, um sich durchzusetzen.

In einem Fall im Sommer 2018 soll er zunächst die Geschwister nach draußen geschickt und dann versucht haben, den Geschlechtsverkehr mit ihr zu vollziehen. Als sich das Mädchen zur Wehr setzte, soll er ihr ein Obstmesser in den rechten Oberschenkel gestochen haben. Derartige Anschuldigungen kann Xhemajl B. nicht nachvollziehen: "Sie war doch mein Sonnenschein". Er habe die Kinder nicht einmal gebadet, als sie klein waren. Xhemajl B. redet wie ein Wasserfall. Wann er nach Deutschland kam, wann er wo in Osnabrück oder später in München gewohnt hat, wann die Mutter seiner Kindern mit ihm gewohnt hat oder nicht. Dabei fällt immer wieder das Wort "Freier". Der Dolmetscher erklärt, dass die Gastarbeiter aus dem Kosovo das Wort von ihren Besuchen in Bordellen kannten, es mit in ihre Heimat nahmen. Dort allerdings wandelte sich die Bedeutung um in Freund oder Verlobter.

Das Problem bei den Ausführungen von B. scheint aber nicht nur die Sprache zu sein. Er und seine Frau führten eine On-Off-Beziehung. "Sie kam, blieb ein bis zwei Monate, dann war sie wieder weg", erzählt er. Sie sei dann bei anderen Freunden gewesen, "um sie abzukassieren". Richter Bertolt Gedeon versucht, einen roten Faden in die Ausführungen von B. zu bringen und aufzulisten, wann B. wo mit welchen Kindern gewohnt hat und wie dort die Zimmeraufteilung gewesen sei. Aber mal sagt B., er könne sich nicht erinnern, "da waren so viele andere Frauen". Dann sagt er, er habe so gut wie nie alleine mit den Kindern gewohnt. In München, in einem Asylbewerberheim, soll er laut Staatsanwaltschaft mit einer anderen Tochter ab ihrem 14. Lebensjahr mindestens zehnmal den Geschlechtsverkehr vollzogen haben. Einer dritten Tochter soll er sich ebenfalls genähert haben, diese soll ihn aber durch Schreie abgehalten haben.

Es sei sehr schwierig, Kinder zu erziehen, er sei gescheitert, klagt B. Er, der weder lesen noch schreiben kann, habe versucht, den Kindern Kunst und Kultur nahezubringen. Die Mutter habe an der Erziehung kein Interesse gehabt. Seine Verteidigerin führt an, dass dem Ganzen ein jahrelanger Streit um die Kinder vorangehe, das Paar die Polizei bereits in mehreren Städten beschäftigt habe, und man sich gegenseitig beschuldige, die Kinder zu schlagen. Sie forderte ein aussagepsychologisches Gutachten für alle drei Mädchen, sie könnten den suggestiven Einflüssen der Mutter ausgesetzt gewesen sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5192096
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.02.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.