Prozess in München:Gericht beendet Streit um Madonna

Prozess in München: Fachleute sprechen vom "Sitz der Weisheit": Die Skulptur zeigt die Gottesmutter mit dem Jesusknaben.

Fachleute sprechen vom "Sitz der Weisheit": Die Skulptur zeigt die Gottesmutter mit dem Jesusknaben.

(Foto: Artokoloro/Imago)

Ein Münchner will bei Sotheby's eine mittelalterliche Marienstatue versteigern lassen, doch die erweist sich plötzlich als Raubkunst. Das Londoner Auktionshaus behält die Skulptur ein - und es beginnt ein jahrelanger Streit um die Madonna. Nun haben Münchner Richter entschieden.

Von Andreas Salch

Jahrzehntelang soll sie ihren festen Platz im Wohnzimmer eines Münchner Wissenschaftlers gehabt haben, dann wurde sie unversehens zum Streitobjekt vor Gericht: eine knapp einen Meter große hölzerne Skulptur aus dem frühen 13. Jahrhundert. Streitparteien sind der scheinbar rechtmäßige Eigentümer auf der einen Seite sowie das Londoner Auktionshaus Sotheby's und der französische Staat auf der anderen.

Die Skulptur zeigt die Gottesmutter mit dem Jesusknaben - ein Bildmotiv, das in der christlichen Kunst als Sedes Sapientiae, Sitz der Weisheit, bezeichnet wird. Ihr bisheriger Eigentümer hatte 2015 beschlossen, sich von der Skulptur zu trennen und lieferte sie zur Versteigerung beim Auktionshaus Sotheby's ein. Der Wert der Staute wurde von den Experten auf gut 30 000 bis 50 000 Euro taxiert. Doch zum Aufruf in der Auktion kam es dann nicht mehr. Noch bevor die Gottesmutter mit dem Jesusknaben möglichen Käufern präsentiert wurde, stellte Sotheby's fest, dass es sich bei der Marienstatue um Raubkunst handelt. Unbekannte hatten sie im Juli 1976 aus einer Kirche des gut 200 Einwohner zählenden Fleckens Thoisy-le-Désert gestohlen, etwa 50 Kilometer westlich von Dijon.

Der Münchner Wissenschaftler wollte die Skulptur daraufhin zurück - und erhob Klage, als Sotheby's sich weigerte. Der Londoner Auktionator, dem sich inzwischen auch das französische Kultusministerium und der Bürgermeister von Thoisy-le-Désert als sogenannte Nebenintervenientinnen angeschlossen haben, rückt die Sedes Sapientiae nicht mehr heraus. Zu Recht, wie jetzt die 23. Zivilkammer am Landgericht München I in einem Urteil in dem seit nunmehr dreieinhalb Jahren währenden juristischen Tauziehen feststellte.

Ein Geschenk der Mutter zur Habilitation

Seine vermeintlich rechtmäßigen Eigentumsrechte an der Skulptur hatte der Münchner Wissenschaftler unter anderem damit begründet, dass er nicht gewusst habe, dass diese aus einer Kirche gestohlen worden sei. Die Figur habe er von seiner inzwischen verstorbenen Mutter anlässlich seiner Habilitation in den 70er Jahren geschenkt bekommen. Seine Mutter wiederum habe die Marienstatue im Münchner Kunsthandel erworben. Überdies habe eine im Jahr 2000 mit der Versicherung der Skulptur beauftragte Assekuranz im sogenannten "Lost-Art-Verzeichnis" keinen Hinweis darauf gefunden, dass sie als gestohlen gemeldet sei. Und: Bei der Figur, die er für die Auktion in London eingeliefert habe, handle es sich gar nicht um die, die in Thoisy-le-Désert gestohlen wurde.

Sotheby's beantragte die Klage abzuweisen. Ohne eine Einigung mit der französischen Regierung und, so lange nicht gerichtlich nicht festgestellt worden sei, wer der rechtmäßige Eigentümer der Skulptur ist, dürfe man diese nicht zurückgeben. Ansonsten sähe man sich "Ansprüchen des französischen Staates ausgesetzt", so der Auktionator.

Die Richter der 23. Zivilkammer wiesen die Klage des Münchner Wissenschaftlers als "derzeit unbegründet" ab. Als Grund hierfür verweisen sie in ihrem Urteil unter anderem darauf, dass der Kläger bei der Einlieferung der Skulptur sich mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Sotheby's einverstanden erklärt habe. Darin verweist das Auktionshaus darauf, dass es eingelieferte Kunstwerke nicht versteigert, sollte sich herausstellen, dass diese Gegenstand eines "streitigen Rechtsverhältnis" sind. Erst wenn "die Angelegenheit zugunsten des Verkäufers beigelegt ist", werde das eingelieferte Kunstwerk wieder freigegeben.

Nicht zuletzt zeigten sich die Richter in ihrem Urteil von der Expertise eines Sachverständigen des Bayerischen Nationalmuseums in München überzeugt. Nach dessen Einschätzung handelt es sich nämlich bei der vom Kläger eingelieferten Marienstatue ohne jeden Zweifel um jene, die aus der Kirche von Thoisy-le-Désert gestohlen wurde. Nach München zurückkehren wird die Sedes Sapientiae somit bestimmt nicht.

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