Süddeutsche Zeitung

Prozess:Vergewaltiger zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt

Weil der Täter ein Geständnis ablegt, bleibt dem Opfer eine Zeugenaussage vor Gericht erspart. An Weihnachten hatte der 29-Jährige die Frau überfallen.

Von Susi Wimmer

Elfie E. (Name geändert) hat ihre Selbständigkeit verloren. Das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln erscheint ihr zu riskant, ihre Wohnung zu verlassen kostet sie Überwindung, und kommt ein Mann in ihre Nähe, fühlt sie sich sofort bedroht. Es ist kein Wunder, bei dem, was die 63 Jahre alte, geistig leicht behinderte Frau erlebt hat: Im Dezember 2018 drängelte sich ein Mann in ihre Wohnung in Laim, zertrümmerte ihr mit Faustschlägen das Gesicht und vergewaltigte sie. Der Anblick ihres Peinigers vor dem Landgericht München I blieb der Frau am Mittwoch erspart. Denn Mohamed K., 29 Jahre alt, legte ein Geständnis ab und wurde von der zwölften Strafkammer zu vier Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.

"Really sorry", übersetzt die Dolmetscherin die Erklärung von Verteidiger Harald Baumgärtl und der Angeklagte nickt dazu mehrmals heftig mit dem Kopf. Sein Mandant sei in allen Punkten geständig, erklärt der Anwalt, er gestehe die Körperverletzung und auch die sexuellen Handlungen. Durch dieses Geständnis blieb Elfie E. die Zeugenaussage vor Gericht erspart. Wie ihre Anwältin Barbara Kaniuka erklärte, zitterte die Frau am Mittwoch in der Zeugenbetreuungsstelle ihrer Aussage entgegen und weinte dann vor Erleichterung, als sie wieder heimgehen konnte. Durch dieses Geständnis, das machte Richter Frank Zimmer dem Angeklagten auch klar, bleibe ihm eine härtere Strafe erspart, die wohl um ein Drittel des jetzigen Strafmaßes höher ausgefallen wäre. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte Mohamed K. noch behauptet, die Frau hätte ihn um den Geschlechtsverkehr gebeten.

Die Tat am 25. Dezember 2018, einen Tag nach Heiligabend, klingt wie aus einem schlechten Krimi. "Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in einer so sicheren Stadt wie München möglich ist", sagt Sozialpädagogin Laura C. vor Gericht, die Elfie E. seit Jahren betreut. Am späten Vormittag klingelte es an der Türe von Elfie E. und wie sie später der Polizei sagte, habe sie gedacht, eine Freundin aus der Nachbarschaft wolle sie besuchen. Deshalb habe sie den Summer gedrückt. Durch den Türspion sah sie einen unbekannten Mann, sie habe nicht öffnen wollen, aber als dieser energisch klopfte, tat sie es doch.

"Ich konnte ihn nicht wegschieben"

Mohamed K. drängte sich in die Wohnung, packte die gestürzte Frau an ihrem Pullover und schleifte sie ins Schlafzimmer. Dort drohte er, er werde sie töten und schlug ihr mit der Faust mehrfach so heftig ins Gesicht, dass der Orbitaboden an ihrem linken Auge etliche Frakturen aufwies. "Ich hatte Angst, dass er meine Brille kaputt macht", sagte Elfie E. Anschließend vergewaltigte er die Frau, verlangte auch oralen Geschlechtsverkehr, und ließ auch dann nicht von der 63-Jährigen ab, als diese ihn mehrfach biss. "Ich konnte ihn nicht wegschieben", sagte sie der Polizei. Schließlich gelang ihr die Flucht über die Terrassentüre.

Die Polizei konnte Mohamed K. dreieinhalb Monate später festnehmen, zumal die DNA des Umzugshelfers im Polizeicomputer gespeichert war. Im übrigen ging Staatsanwältin Carolin Stier davon aus, dass Mohamed K. nicht das erste Mal in die Wohnung von Elfie E. eingedrungen war: Bereits im November, so erzählte die 63-Jährige der Polizei, habe sich ein Unbekannter als Hausmeister ausgegeben und sei durch ihre Wohnung gestreift. Er habe im Schlafzimmer die Jalousie heruntergelassen und sie gepackt. "Ich hab ihm das Knie in die Genitalien gerammt", sagte sie, daraufhin sei der Mann geflüchtet. Aber er habe geschrien: "Ich komme wieder."

Für Elfie E. hat sich das Leben seit dem Überfall grundlegend verändert. Nach zwei Monaten Krankenstand nahm sie ihre Arbeit als Spülerin in einer Behindertenwerkstatt wieder auf, musste aber nach kurzer Zeit wieder abbrechen. "Seitdem hat sie ständig andere körperliche Beschwerden, sie ist quasi seit einem Jahr krankgeschrieben", erzählt ihre Betreuerin Laura C. dem Gericht. Elfie E. habe das Rausgehen immer so genossen, jetzt sei sie ängstlich. Der Angeklagte nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an.

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SZ vom 04.06.2020/aner
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