Süddeutsche Zeitung

Café Steinchen in Laim:Ein Bauwagen-Salon mit Oma-Charme

Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten eröffnen zwei Schwestern ihr Café an der Agnes-Bernauer-Straße. Neben Kaffee und Kuchen gibt es dort auch Street-Art.

Von Christina Seipel

Mit großen Augen blicken überlebensgroße Graffiti-Tauben mal kess, mal hämisch grinsend von den Wänden und Containern auf die letzten Vorbereitungen im neuen Laimer Kulturcafé. Ein mit den Betreiberinnen Alexa und Laura Steinke befreundeter Schreiner lasiert die Holzlatten der Terrasse vor dem ausgebauten Übersee-Container, der als Zufluchtsort bei kaltem Wetter dienen soll. Im Hintergrund brüllt laut eine Säge. Am Wochenende muss alles fertig sein: Dann wollen die Laimer Schwestern ihr Café Steinchen an der Agnes-Bernauer-Straße 77 öffnen.

Auf dem 550 Quadratmeter großen Gelände, auf dem bis vor Kurzem noch Autos vor graffitiverschmierten Wänden parkten, ist in den vergangenen Wochen viel passiert. Den Container, der als Indoor-Bereich dient, haben die Schwestern mit einem alten Sofa, einer Eckbank und historischen Bildern aus dem Viertel in einen kleinen Salon mit Oma-Charme verwandelt. Die künstlerische Gestaltung der Wände wie auch die Tauben-Gang haben die befreundeten Street-Artisten Matthias Mross und Lion Fleischmann übernommen. Mit seinen selbstgebauten oder restaurierten Holzmöbeln versprüht das Bauwagen-Café trotz der Nähe zur vielbefahrenen Fürstenrieder Straße ein rustikales, fast uriges Flair.

Ein Jahr lang hatten Laura und Alexa Steinke für ihren Traum vom eigenen Open-Air-Café gekämpft. Dabei haben sie einige bürokratische und bauliche Hürden nehmen müssen, bis die Behörde ihnen Anfang des Jahres schließlich die Genehmigung erteilte. Die Erfolgsaussichten sahen zwischenzeitlich mehr als düster aus. Denn die Fläche, die an das Schulgelände der Grund- und Mittelschule an der Fürstenrieder Straße grenzt, befindet sich in städtischem Eigentum und ist für einen Erweiterungsbau der Schule reserviert. Die letzten Pläne von dem Grundstück, auf dem sich einst eine Bäckerei befand, stammten aus dem Jahr 1929 und waren noch handgezeichnet, was die Erschließung der Fläche, die mehr als 30 Jahre lang brachlag, erschwerte.

Doch die Laimerinnen gaben nicht auf - und das hat sich nun ausgezahlt. Im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung haben die Schwestern im vergangenen Dezember den Zuschlag vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) erhalten. Einschlägige Erfahrung bringen beide mit: Laura, 32, ist gelernte Hotelfachfrau, Alexa, 38, studierte Kulturwissenschaft und eröffnete letztes Jahr das Fabrikrestaurant Mangfallblau am Tegernsee. Eigentlich hatten sie vor, im Frühsommer zu öffnen. Doch dann kam Corona dazwischen, die Mitarbeiter der zuständigen Ämter waren im Home-Office und die Baumärkte geschlossen.

Anfang Mai konnten sie endlich den Mietvertrag unterschrieben. "Dann ging es noch am gleich Tag los", erinnert sich Laura Steinke mit leuchtenden Augen. Für den Café-Betrieb musste das Grundstück erst einmal erschlossen werden. Erde abtragen, Müll entfernen, Unkraut zupfen - auf dem Gelände gab es alle Hände voll zu tun. "Es war schon eine Herausforderung", gibt Alexa zu. Ein sehr großer Baustein sei der fehlende Kanal gewesen. "Er hat etwa ein Drittel des Gesamtbudgets verschlungen", berichtet Laura. Aktuell läuft der Vertrag zur Zwischennutzung bis Jahresende. Eine Verlängerung sei aber nicht ausgeschlossen, hoffen die beiden.

Ein Café dieser Art hatte bisher in Laim gefehlt. "Wenn man nun einen Kaffee trinken und etwas erleben will, muss man nicht mehr aus dem Viertel raus fahren", sagt Alexa. Neben regionalen Produkten soll es ein wechselndes Kulturprogramm geben. Geplant sind kleine Konzerte, eine Radlwerkstatt sowie Workshops für Kinder. Schon jetzt sei die Resonanz bei Anwohnern und Passanten groß. Die Vorfreude ist auch den Betreiberinnen anzumerken: "Wir haben sogar schon eine Anfrage für eine Hochzeitsfeier", sagt Laura mit einem Lächeln.

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SZ vom 03.07.2020/lfr
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