Süddeutsche Zeitung

Lachyoga:"So klingen wir, wenn es uns richtig gut geht"

An diesem Sonntag ist Weltlachtag. Doch Humor braucht es dafür nicht. Wer möchte, kann sich von der Münchnerin Cornelia Leisch beim Kichern und Prusten coachen lassen - und eine ganz besondere Yoga-Praxis kennenlernen.

Von Julian Limmer

Cornelia Leisch holt ein Glöckchen hervor. Die 60-Jährige beginnt damit zu schellen. "Hört ihr das?", fragt sie. Die drei Neuen vor den Bildschirmen nicken. "So klingen wir, wenn es uns richtig gut geht. Dann schwingt alles frei." Leider, fügt Leisch an, passiere es oft, dass sich im Leben etwas über dieses Klingen lege. Sie wölbt ihre Hand über die Glockenhaube, das Schellen wird dumpf. "Das sind unsere Belastungen", sagt sie. Durch Lachyoga wolle sie Menschen dazu bringen, diese Belastungen loszulassen, erklärt sie. Lachyoga?

Immer am ersten Sonntag im Mai wird der Weltlachtag begangen. Die Idee stammt aus der sogenannten Lachyoga-Bewegung, die der indische Arzt und Yogalehrer Madan Kataria ins Leben gerufen und weltweit bekannt gemacht hat. Die Übungen sollen Stress abbauen und gesund sein - und ganz nebenbei gute Laune verbreiten. Humor ist dabei keine zwingende Voraussetzung - im Gegenteil: es soll grundlos gelacht werden.

Was in den Neunzigerjahren in Mumbai begann, hat seinen Weg längst bis nach München gefunden - zu Cornelia Leisch und ihren Kursteilnehmern. Mit ihnen macht die 60-Jährige eine Mischung aus Lach-, Atem und Koordinationsübungen. Dadurch solle der Geist abgelenkt werden, wobei sich gleichzeitig der Körper entspanne - so die Theorie. Das Lachen selbst sei mehr wie die "Sahne auf der Torte", sagt Leisch. Um das zu erleben, haben sich am vergangenen Sonntag um Punkt elf Uhr 17 meist ältere Frauen und Männer - und ein paar wenige jüngere - zuhause vor ihren Bildschirm gesetzt. Wegen der Corona-Pandemie können die Lachyoga-Kurse zurzeit nur online abgehalten werden - wer stoßweise ausatmet, verbreitet schließlich besonders viele Aerosole.

Fast alle kennen sich in dieser Runde, alle duzen sich. "Im Sie lacht es sich nicht so gut", erklärt Leisch, rotgefärbter Pagenschnitt, gerahmte Brille, goldene Ohrhänger. Sie selbst sitzt vor ihrem Bildschirm hinter einer Holzkommode, auf der eine Vase mit gelben Tulpen steht. Sie schließt die Augen, erst einmal ruhig ein- und ausatmen. Dann beginnt sie, sich kreisförmig mit der Hand über die Brust zu streichen und sagt dabei immer wieder: "Ich genieße alles." Alle tun es ihr gleich, ein sanftes, polyfones Brummen ertönt. Dann klatschen alle in die Hände. Es folgt die indische Begrüßung: Alle falten die Hände vor der Brust, beugen sich immer wieder nach vorne in Richtung Bildschirmkamera - und fangen an zu kichern. Nach und nach wird das Lachen immer lauter und intensiver. Dann: 30 Sekunden Stille. Leisch setzt wieder ein: "Jetzt dürft ihr ins freie Lachen übergleiten, mal schauen, wo uns das heute hinbringt."

Was das bringen soll? Willibald Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Zürich, der zum Thema Lachen forscht, ist da zurückhaltend. Er will nicht ausschließen, dass sich Lachyoga positiv auf Einzelne auswirken könne, aber das Thema sei wissenschaftlich einfach noch nicht ausreichend untersucht. Doch schaden kann es wohl kaum. "Gefährlich wird es nur dann, wenn jemand behauptet, es bringe auf jeden Fall gesundheitliche Vorteile", sagt er. Lachyoga könne eine Therapie nicht ersetzten. Doch dass es Menschen individuell helfen könne, das sei durchaus denkbar.

Cornelia Leisch ist davon überzeugt. Nach der Sitzung erklärt die Trainerin, das freie Lachen sei, wenn es einfach aus einem herauskomme, ohne Zwang. Sie selbst habe fünf Jahre gebraucht, bis sie das wirklich beherrscht habe. Ihre Stimme wird sanfter: "Dann kommst du einfach bei dir an, und du merkst, da ist ein ganz fröhlicher Kern in dir."

Leisch selbst kannte dieses Gefühl lange Zeit nicht, immer wieder habe sie mit Depressionen zu kämpfen gehabt, erzählt die 60-Jährige. Nachdem sie ihr Wirtshaus in Weyhern aufgegeben habe, sei sie erst nach Venezuela und dann in die Dominikanische Republik ausgewandert. Dort habe sie einen Souvenirladen geführt, doch so richtig froh habe sie das nicht gemacht. Vor knapp 20 Jahren sei sie nach München zurückgekehrt. Sie fühlte sich überfordert, ganz alleine mit zwei Kindern, erinnert sie sich. Nach einer Psychotherapie habe sie dann das Lachyoga entdeckt - und ließ sich zum Coach ausbilden.

Anfangs kamen meist Menschen zu ihren Seminaren, die bereits einige Lebenskrisen hinter sich hatten, berichtet sie. "Viele versuchen, ihre Probleme einfach wegzuschieben. Aber das bringt nichts." Teilnehmer Johannes, 35, Angestellter bei einer Software Firma, spürt nach der Sitzung bereits einen Effekt, sagt er: "Mein Brustkorb ist viel freier und mein Bauch fühlt sich besser an." Er habe Leisch vor drei Jahren auf einem Seminar kennengelernt. Alle hätten sich damals auf den Boden gelegt, mit den Köpfen zueinander, und gelacht. 20 Minuten lang. Lachstern haben sie das genannt.

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SZ vom 30.04.2021/kafe
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