SchwabingWarum in der Lach- und Schießgesellschaft jetzt Hühnchen gebraten werden

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Dieter Hildebrandt wacht jetzt nicht mehr mit seinem Lächeln über die Lach- und Schießgesellschaft.
Dieter Hildebrandt wacht jetzt nicht mehr mit seinem Lächeln über die Lach- und Schießgesellschaft. (Foto: Matthias Balk/dpa)

„Wings Nation“ hat die Gastronomie in der Schwabinger Kabarett-Institution übernommen – und sehr viele Ambitionen und Ideen mitgebracht. Was das für die Kunst bedeutet.

Von Thomas Becker

Dieter Hildebrandt ist weg. Einfach abgehängt, der Gute. Seit November vergangenen Jahres hatte sein gewinnendes Lachen den Schwabingern heimgeleuchtet, per Leuchtreklame, dort, wo er jahrzehntelang gewirkt hatte: Ursula-/Ecke Haimhauserstraße, Heimat der Lach- und Schießgesellschaft seit den 50er-Jahren. Statt Hildebrandts Konterfei samt den Worten „Lach und Schieß Kultur & Gastronomie“ hängt seit einer Woche vor der Tür des „Ladens“ ein anderes Schild: „Wing Nation“ steht groß darauf, darunter „Smiles & Shots“ sowie als Auszug der programmatischen Neuausrichtung die Aufzählung „Restaurant Bar Breakfast Stage Sports“. Ganz schön viel Ambition für einen eher mittelgroßen Gastraum, zumal die sogenannte Laufkundschaft ihr Geld eher ein paar Straßen weiter lässt.

Und was ist mit der Kleinkunst, dem Kabarett? Ist hier nur noch Gast, ein Teilzeitbewohner, dem die Gastronomen nicht zwingend wegen Eigenbedarfs kündigen wollen, auf den sie aber auch nicht angewiesen sind. Frage an Radio Eriwan: Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Im Prinzip: beides.

Gut, weil die Bühne namens Lach- und Schießgesellschaft nicht komplett weg ist. Und weil Schwabing von Montag an ein neues, weit gefasstes gastronomisches Angebot bekommt. Schlecht, weil die Bühne namens Lach- und Schießgesellschaft fast nichts mehr mit dem zu tun hat, was hier 65 Jahre lang an Erbauung für Kopf und Seele fabriziert wurde, Abend für Abend, fast ohne Pause. Warum das so gekommen ist? Das müsste man den ehemaligen Gesellschafter Bruno Jonas fragen, der sich vor Jahren „einvernehmlich“, aber unter dem fassungslosen Kopfschütteln der Szene vom damaligen Geschäftsführer Till Hofmann getrennt hatte.

Im Frühjahr 2023 musste Insolvenz angemeldet werden, der Förderverein „Die Laden-Hüter“ schaffte es, den Kultur-Ort Lach- und Schieß zu erhalten, sozusagen als Untermieter der neuen Pächter, der Entleitner Gastronomie GmbH. Ein Familienunternehmen, in dem das Ehepaar Mariana und Christian die Läden in Sendling und der Maxvorstadt betreibt, die mit dem Claim „Best wings in town, Baby“ werben. Christian Entleitner hat drei Jahre in Virginia gelebt, dort die Räucherkultur der Südstaaten entdeckt, die er nun in München einführen will.

„Nur vom Kabarett können wir bei 10 000 Euro Pacht nicht leben“

Aus dem „Laden“ solle eine „schöne Schwabinger Kulturgaststätte“ für Jung und Alt werden, „eine fruchtbare Koexistenz von Tradition und frischem Wind soll es werden“, hieß es vor der Eröffnungsfeier im Herbst. Schöne Idee, hat aber bislang nicht funktioniert, weshalb die Leuchtreklame mit Hildebrandt nun weichen musste. In der neuen „Wing Nation“-Filiale wird es „ab neun Uhr Frühstück geben, loaded croissants und Bagels, Lunch-Menüs, Kuchen, Pies, Smoked Barbecue, Ein-Liter-Cocktails, einen Schanigarten. Wir werden Sport-Events streamen, von Fußball über Basketball bis American Football und Mixed Martial Arts. Es soll ein Schwabinger Wohnzimmer werden“, sagt Mariana Entleitner.

Probiert hat man schon vielfältige Ansätze, darunter ein Kindercafé oder einen Drag-Brunch mit Vicky Voyage und Ruby Tuesday. „Wir hatten das Problem, dass die Leute uns nicht als vollwertige Gastronomie wahrgenommen haben, sondern nur als Kabarett, wie es all die Jahre zuvor war“, sagt Entleitner. „Aber nur vom Kabarett können wir bei 10 000 Euro Pacht nicht leben. Kabarett ist kein lukratives Geschäft. Wir müssen schauen, dass wir wirtschaftlich funktionieren, sonst können wir den Laden dichtmachen.“

Kabarett werde es auch weiterhin geben, wann und wie genau sei bislang nicht entschieden, sagt Entleitner: „Das Kulturgut wollen wir ja nicht einfach so wegwerfen. Wir wollen mit denen darauf hinarbeiten, dass es feste Tage im Monat gibt, damit die Gäste auch wissen: An dem Tag ist Kabarett. Uns wäre am liebsten Montag. Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass es mehr Comedy und Poetry-Slams geben soll, was ein bisschen pfiffiger ist und ein jüngeres Publikum anspricht.“

Dementsprechend sieht es nun innen aus. Wo zuletzt die Bühne war, hängt unter dem Lüftungsrohr der Schriftzug „Wings are 4 the people“, ein riesiges Hirschgeweih wartet noch darauf, eine Jägermeister-Werbung einzurahmen. Wo die Lach- und Schieß-Ahnengalerie hin ist? „Wenn Kabarett ist, projizieren wir die drauf oder hängen sie auf, mal sehen“, sagt Mariana Entleitner.

Die Bühne im „Laden“ hat sich zuletzt verändert, ein neuer Schriftzug steht darüber.
Die Bühne im „Laden“ hat sich zuletzt verändert, ein neuer Schriftzug steht darüber. (Foto: Florian Peljak)
Es geht tierisch zu: Ein Hirschgeweih ziert jetzt die Wand und zahlreiche Poster mit dem Wort „Wings“ darauf geschrieben.
Es geht tierisch zu: Ein Hirschgeweih ziert jetzt die Wand und zahlreiche Poster mit dem Wort „Wings“ darauf geschrieben. (Foto: Florian Peljak)
Auf einem Wandbild ist ein Kellner zu sehen, der ein Bier serviert.
Auf einem Wandbild ist ein Kellner zu sehen, der ein Bier serviert. (Foto: Florian Peljak)

Und was sagen die Altvorderen? „Sieht doch nicht wesentlich anders aus“, findet Ulrich Spandau, der kaufmännische Geschäftsführer der Lach- und Schieß. Dass der „Laden“ nun sozusagen Hühnerflügelnation heißt, nimmt man in Kauf: „Die Gastro hat sich entschieden, sich umzubenennen, was uns sehr recht ist, weil den Kunden unklar war, wer hier Gastro Lach- und Schieß und wer Bühne Lach- und Schieß war.“

An der im Vorjahr verhandelten Benutzungsvereinbarung ändere sich nichts. „Wünsche nehmen wir zur Kenntnis“, aber zweimal in der Woche und am Wochenende sei man auf der Bühne, sagt Spandau: „Wir machen jetzt mal einen Testlauf bis Ende des Jahres und schauen, wie sich das für beide Seiten am besten entwickelt. Da wir ja noch so frisch im Markt sind, planen wir auch nur sehr kurzfristig. Für 2025 müssen wir uns mit den Künstler-Slots zufriedengeben.“ 2026 wisse man dann mehr.

Apropos Wissen: Das Ensemble der Lach- und Schieß mit Christl Sittenauer, Sebastian Fritz und Frank Klötgen bekommt von all dem wenig mit. „Ehrlich gesagt, weiß ich gar nichts“, erzählt Sittenauer am Telefon. Am 15. und 29. April soll im „Laden“ gespielt werden: „Ich bin gespannt, ob und wie das stattfindet“, sagt sie. Zwei, drei Auftritte habe man dort schon gehabt, was „okay besucht“ gewesen sei, und weder auf das Essen („sehr gut!“) noch auf das „hoch motivierte“ Wirtepaar lässt sie etwas kommen: „Ich wünsche ihnen auf jeden Fall, dass es läuft. Weil: Wenn es bei denen nicht klappt, dann ist die Lach- und Schieß wahrscheinlich am Ende.“ Und auch das gelbe Lach- und Schieß-Schild vor der Tür wäre weg. Dann wohl endgültig.

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